Rezension

Grenzerfahrung

Herz auf Eis
von Isabelle Autissier

Bewertet mit 5 Sternen

Ludovic ist der Inbegriff der Generation Y: Einzelkind, Eltern in leitender Position, Einfamilienhaus im Vorort von Paris. Es hat ihm an nichts gefehlt.
Ludovic ist schnell gelangweilt, immer auf der Suche nach dem nächsten Kick, zieht er Louise, die etwas zurückhaltender ist, mit. Und so brechen die beiden nicht nur für ein Jahr aus, um die Welt zu erkunden, sie stranden auch aus reinem Leichtsinn auf einer unbewohnten Naturschutz-Insel. Eine Grenzerfahrung, denn aus dem Abenteuer wird ein Kampf ums pure Überleben.

Und hier legt die Autorin ihren Schwerpunkt und den Finger in die Wunde. Wie verhält sich ein Paar, das gegen Hunger, Kälte und Tod kämpft? Wie ändert sich die Rollenverteilung und die Charakterstärken mit der Zeit und wo bleibt bei all dem die Menschlichkeit und Liebe? Entscheidungen müssen getroffen werden, man ist sich nicht immer, um nicht zu sagen, selten einig. Und doch muss man zusammenhalten, um zu überlegen oder geht man ein Wagnis ein, dass der andere nicht zu tragen bereit ist....
Dieser Roman geht unter die Haut, denn man kommt nicht umhin, sich immer wieder selbst zu hinterfragen. Wie hätte ich gehandelt? Eine Antwort darauf habe ich nicht gefunden. Dennoch waren diese Überlegungen bei jedem Schritt präsent. Und das macht dieses Buch aus.

Sympathisch war mir in diesem Kammerspiel keiner der beiden Charaktere. Auch der Schreibstil ist sehr klar, knapp und distanziert, dabei aber unheimlich detailliert und sehr realistisch dargestellt. Es gibt keine Romantik oder gar Heldentum. Es geht um Würde, Menschlichkeit, Schuldgefühle, innere Zerissenheit, Zweifel und Liebe. Und diese Eindringlichkeit hat mich tief berührt und lange zum Nachdenken gebracht.

Ein Buch, das man nicht so schnell vergisst.