Rezension

Großartige Idee, die aber Beklemmung auslöst

Ein Jahr voller Wunder - Karen Thompson Walker

Ein Jahr voller Wunder
von Karen Thompson Walker

Bewertet mit 4 Sternen

„Ein Jahr voller Wunder“ handelt von der 11-jährigen Julia, die mit ihren Eltern, Helen und Joel, ein ganz normales Familienleben in Kalifornien führt. Eines Morgens kommt die Nachricht, dass sich die Erdrotation verlangsamt und nach und nach müssen Julia und ihre Familie realisieren, was das alles für Auswirkungen auf sie und die ganze Welt hat.

Das Stärkste an diesem Roman ist und bleibt die Idee und die hat mich bis ans Ende gefesselt. Einerseits war es faszinierend, was alles durch die Verlangsamung der Erdrotation betroffen ist, denn darüber macht man sich ja eigentlich keine Gedanken, und andererseits war es doch schon sehr beklemmend. Dass dieses Buch kein Happy End hat war nur folgerichtig und hat mich auch noch mal wach gerüttelt, was wir Menschen der Erde eigentlich alles antun.
Die Charaktere, um die sich die Geschichte spann, haben mich im Vergleich zu der Idee an sich weniger begeistern können. Schon in der Leseprobe habe ich mich kritisch geäußert, dass ich bei so einem Thema eine 11-jährige Protagonistin falsch halte. Mir ist durchaus bewusst, dass Julia die Geschichte rückblickend schreibt und schon 23 ist und dennoch hat sie einige Dinge erlebt, bei denen ich mir dachte: Das erlebt eine 11-Jährige? Zugegebenermaßen war ihre Naivität absolut altersgerecht gelungen und das hat mich an ihr doch ganz schön gestört. Ansonsten aber war es spannend alle Folgen der Verlangsamung aus ihren Augen mit zu betrachten und noch besser hätte ich es gefunden, wenn sie schon älter gewesen wäre.
Die Eltern waren natürlich auch extrem gezeichnet. Auf der einen Seite Helen, die vollkommen panisch auf die Nachricht reagiert und immer mehr Vorräte anhäuft und auf der anderen Seite Joel, der sich überfordert zeigt seine Frau und seine Tochter zu beruhigen und stattdessen sich in die Arbeit verkriecht und in eine Affäre mit Julias Klavierlehrerin.
Der Erzählstil hat mich vollkommen überzeugt. Er war absolut flüssig lesbar und die in der Regel doch eher kürzeren Kapitel haben das Lesetempo und auch den Spannungsbogen aufrecht gehalten. Zudem fand ich es super, dass es nicht immer nur um Julia und ihre Familie ging, sondern dass sie auch vollkommen neutral beschreiben konnte, was alles nacheinander passiert, wie zum Beispiel die Tatsache, dass immer mehr Vögel tot vom Himmel fielen und anschließend auch noch Vermutungen von Wissenschaftlern, warum dies so ist.

Fazit: Die Idee von „Ein Jahr voller Wunder“ war großartig, vor allem weil man diese Thematik eher seltener auf dem Buchmarkt findet. Die Geschichte an sich war dann nicht großartig, weil sie vor allem beklemmend war und mich als Leser wirklich nachdenklich gemacht hat. Die Figuren waren etwas überzeichnet, haben aber natürlich die Folgen gelungen wiedergegeben. Julia war an sich eine gelungene Protagonistin, aber in meinen Augen zu jung gewählt.
Ich spreche hiermit eine Kaufempfehlung aus, weil es einfach was anderes ist. Aber man sollte sich wirklich nicht vom Titel des Buches fehlleiten lassen. Denn ob die Folgen der Verlangsamung wirklich als Wunder bezeichnet werden können und ob Katastrophen nicht das viel bessere Wort wäre, das will ich mal offen lassen. Aber ansonsten Daumen hoch und ich gebe 4 Sterne!