Rezension

Großer Roman, der fesselt und bewegt - mal wieder

Das Haus, das in den Wellen verschwand
von Lucy Clarke

Bewertet mit 4.5 Sternen

Mit 'Das Haus, das in den Wellen verschwand' legt Lucy Clarke abermals einen kriminalistisch angehauchten Romantik-Roman vor, der seine Spannung bis zur letzten Seite (und darüber hinaus) hält. Ein Buch, das man gerade in der zweiten Hälfte kaum noch zur Seite legen kann. Wie 'Der Sommer, in dem es zu schneien begann' ist auch diese Geschichte geprägt von einer Liebe zum Meer, was die Grundlage für romantische Stimmungsbeschreibungen und ansteckendes Fernweh ist.

Lana und Kitty sind beste Freundinnen. Mehr als das. Engste Vertraute, Familie. Beide mussten ohne Mutter aufwachsen und waren so füreinander oft die einzige Stütze. Kittys Verhältnis zu ihrem Vater, einem Alkoholiker, war schon immer schwierig, aber als auch Lana sich mit ihrem Vater überwirft, weil er ihr jahrelang etwas Entscheidendes über ihre Mutter verschwiegen hat, reift in beiden der Entschluss, der Heimat gemeinsam den Rücken zu kehren. Auf den Philippinen treffen sie auf eine 5köpfige Truppe junger Aussteiger, die gemeinsam auf einer Yacht leben. Sonnen, Schnorcheln, Trinken, Kiffen, Reden - unter blauem Himmel, an weißen Sandstränden und in türkisen Lagunen. Als die Einladung ausgesprochen wird, zögern Lana und Kitty nicht lange und schließen sich der Gruppe an. Eine kurze Zeit lang erleben sie den Traum schlechthin, doch dezent schimmert schon durch, dass jedes der Crewmitglieder so seine kleinen Geheimnisse hat. Dann drängt der Skipper darauf, eine anstehende Überfahrt anzugehen, bei der tagelang kein Landkontakt bestehen wird. Das Wetter schlägt um und auch auf der 'Blue' braut sich etwas zusammen. Plötzlich wird eines der Crewmitglieder vermisst und durch ein Netz aus alkoholgetrübten Erinnerungen, mitgehörten Gesprächsfetzen und emotionalen Auseinandersetzungen versucht Lana, zu begreifen, was geschehen ist. Schnell muss sie dabei feststellen, dass die alte Allianz mit Kitty ganz und gar nicht mehr ist, was sie mal war und Kitty verschweigt noch etwas anderes...

 Der Roman rollt die Geschehnisse nach und nach auf, indem er zwischen Berichten aus der Zeit der Überfahrt und Ereignissen acht Monate später, als es einen Unfall mit der Blue gab, hin und her springt. So weiß der Leser zu Beginn nur, dass einer der Personen auf der Yacht etwas passiert ist, aber nicht wem. Als diese Antwort dann gelüftet ist, stellt sich die Frage, wer etwas darüber weiß und vielleicht sogar an dem Unglück beteiligt war. Nach und nach erfährt man mehr über die einzelnen Charaktere und spinnt selbst Theorien, was denn geschehen sein mag. Zum Ende des Buches hat man alle Antworten und fühlt sich, wie die Hauptperson, erschöpft und verwirrt. Ich finde, das ist großartig gemacht! Denn man weiß tatsächlich mehr als Lana und fühlt sich ob dieser Information genauso hilfs- und ratlos, wie sie sich an Bord er Blue gefühlt hat. Zwar bin ich kein Freund offener Enden und ein paar Fragen könnte man noch stellen, doch stört mich dies bei diesem Buch zum Glück kaum. 

Lucy Clarke hat es nun zum wiederholten Male geschafft, mich mit einer Story zu fesseln, bei der ich wirklich keine Ahnung hatte, wie die Auflösung wohl sein wird. So eine neue Gechichte zu entdecken und dann nach und nach Geheimnis um Geheimnis zu lüften hinterlässt mich als Leser ungewohnt befriedigt. Die emotionale Beschreibung von Beziehungsgeflechten und die bildreiche Beschreibung der Umwelt runden das durch und durch stimmige Leseerlebnis ab.

Ein Lob an den deutschen Verlag und die Übersetzerin! Die Gestaltung mit Aquarell-Einband und bedrucktem Buchschnitt ist wunderschön und Claudia Franz formuliert wunderbar, niemals würde einem der Gedanke kommen, dass man eine Übersetzung liest. Der Titel erscheint vielleicht beim ersten Lesen etwas sperrig, aber nach der Lektüre finde ich ihn geradezu poetisch. Man kann soviel in ihn hinein interpretieren und verschiedene Assoziationen zum Roman finden. Großartig!