Rezension

Großes Kino!

Gravesend - William Boyle

Gravesend
von William Boyle

Gravesend, am südlich-westlichen Zipfel von Brooklyn, einer der ältesten Stadtteile New Yorks, . Bevölkerung überwiegend weiß, eher Unter- als Mittelschicht, konservativ, bei Wahlen den Republikanern zugeneigt. „Gravesend“ ist aber auch der Titel eines Romans von William Boyle, einem amerikanischen Autor, der in diesem Viertel aufgewachsen ist.

Gravesend ist ein Drecksloch, Endstation für die Alten und keine Zukunft für die Jungen. Die einen gehen und suchen ihr Glück anderswo. Wie Alessandra Biagini, die Möchtegern-Schauspielerin, für die es nie zu einer richtigen Rolle gereicht hat. Ein paar kurze Auftritte in Werbeclips, aber das war’s dann auch schon. Der Traum von Hollywood – ausgeträumt. Als ihre Mutter stirbt und ihr Vater Hilfe braucht, kommt sie zurück und macht genau dort weiter, wo sie vor ihrem Weggehen aufgehört hat.

Andere bleiben, suchen sich ein Ventil für ihren Frust und lassen ihrem Hass freien Lauf. Und wieder andere leben für die Rache.
Conway Calabrese gehört der letztgenannten Gruppe an. Ein typischer Loser, der Regale im Supermarkt auffüllt und auch sonst nichts auf die Reihe bekommt. Seit sein Bruder Duncan von Ray Boy Calabrese und dessen Kumpels in den Tod gehetzt wurde, bereitet er sich auf den Tag vor, an dem Ray Boy aus dem Knast entlassen wird. Conway will den Tod seines Bruders rächen. Blut verlangt nach Blut.

Ray Boy Calabrese hingegen ist nach seinem sechzehnjährigen Gefängnisaufenthalt ein gebrochener Mann. Er leidet unter Schuldgefühlen, hat keinen Lebenswillen mehr und will nur noch sterben. Das könnte nun ja sowohl ihm als auch Conway helfen. Doch leider wird daraus nichts, denn Conway ist nicht Manns genug, um abzudrücken.

Der Dritte im Bunde ist Ray Boys Neffe Eugene, ein halbwüchsiger Kleinkrimineller, der voller Bewunderung zu seinem Onkel aufschaut und ihm nacheifern möchte. Er sieht in ihm noch immer den ultracoolen Gangster, der vor nichts und niemand Angst hat. Mit diesem Häufchen Elend, das der Knast aus Ray Boy gemacht hat, kann er so überhaupt nichts anfangen. Eugene möchte ihn wieder in die Spur bringen, dem König der Gangster sein Königreich zurückgeben. Doch das kann und wird in Gravesend kein gutes Ende finden.

Trostlos, kein Glitzer, kein Glamour, nur Elend wohin man schaut. Die Hoffnungslosigkeit lugt aus jeder Zeile und William Boyd beschreibt das Elend ohne Übertreibung und Effekthascherei. Eine Geschichte vom Bodensatz der Gesellschaft. Wissend, dass es kein Entkommen gibt. Dass die Katastrophe bereits mit dem Tag der Geburt in Gravesend unausweichlich festgelegt wurde. Großes Kino!