Rezension

Großes (Kopf) Kino

Der Mann, der nicht mitspielt - Christof Weigold

Der Mann, der nicht mitspielt
von Christof Weigold

Bewertet mit 5 Sternen

Für einen Moment sahen wir uns schweigend an. Einer von uns lächelte. Ich war es nicht.

Der erste Fall von Hardy Engel.
Hollywood 1921: Hardy Engel, ein recht erfolgloser deutscher Schauspieler und deswegen auch seit neuestem Privatdetektiv, wird von der ebenso schönen wie mysteriösen Pepper Murphy beauftragt das Starlet Virginia Rappe zu finden.
Als er diese tatsächlich auf einer Party des beliebten und erfolgreichen Komikers Roscoe "Fatty" Arbuckle trifft, befindet sie sich in einem recht desolaten Zustand. Zwei Tage später ist sie tot und Arbuckle wird der Vergewaltigung und des Totschlags beschuldigt.
Der Fall entwickelt sich rasant zu einem der größten Skandale der Stummfilmzeit und droht das aufstrebende Hollywood in den Abgrund zu stürzen.

~ * ~ * ~ *

Perfektes Kopfkino!
Erwartet hatte ich einen netten, kleinen Krimi im Stil der 20iger Jahre - bekommen habe ich einen tiefen Einfblick in das Hollywood der Stummfilmzeit und einen großartig recherchierten Roman, der auf einen wahren Fall basiert.

Wer, wie ich, anfangs denkt, ohje, ein Krimi mit 650 Seiten, der merkt schnell, dass es sehr viel mehr ist als ein Krimi. Es braucht nur ein paar Seiten und man wird förmlich in das Hollywood der 20iger Jahre hineingezogen, in die Anfänge der Studiogiganten, der ersten großen Stars wie Fatty Arbuckle, Buster Keaton und Charlie Chaplin, und daraus resultierend auch der ersten "Yellow Press" des Hearst Konzerns.

Eine überaus faszinierende Welt.

Anfangs lies mich Hardy ein wenig schmunzeln, da er alle Klischees erfüllt und ich immer einen Humphrey Bogart im Trenchcoat vor Augen hatte. Doch er passt hervorragend in das Bild. Mit ihm hat Christof Weigold einen sympathischen Ermittler geschaffen, der sich urplötzlich in einer skrupellosen, machtgierigen Welt wiederfindet und so vollmundig einen Job repräsentiert, in den er erst noch hineinwachsen muss. 

Die große Stärke dieses Buches besteht im Flair, in den Charakteren, den Schilderungen - so herrlich lebendig und spannend, das man völlig abtaucht.

Und wenn man sich dann noch ein wenig mehr mit dem Fall beschäftigen möchte (ich hatte zwar irgendwann einmal davon gehört, aber auch nicht wirklich einen Bezug dazu und der Stummfilmzeit gehabt), der wird im Internet schnell fündig (empfehlen kann ich "The Trial of Fatty Arbuckle").
Klar hat sich Christof Weigold ein paar künstlerische Freiheiten herausgenommen, dafür ist es ein Roman, aber die Kernfakten stimmen. Und ich muss sagen, ich habe beim Lesen nicht nur viel über Roscoe Arbuckle recherchiert, sondern mir auch die Highlights der Stummfilmära angeschaut und zum ersten Mal einen Zugang dazu gefunden.

Fazit: Ein großartiger Krimi, dessen Gesamtpaket mich einfach nur begeistert. Ich hoffe, dass ich nicht allzu lange auf den zweiten Fall von Hardy Engel warten muss und bin gespannt, mit welchem Fall er sich beschäftigen wird.
***Lesehighlihgt 2018!***