Rezension

Gruselklassiker im Comic-Gewand - die Illustrationen sind allerdings Geschmacksache

Das verräterische Herz und andere unheimliche Geschichten - Edgar Allan Poe

Das verräterische Herz und andere unheimliche Geschichten
von Edgar Allan Poe

Bewertet mit 3 Sternen

Inhalt:

Das Buch enthält vier Kurzgeschichten von Edgar Allan Poe, die von Gundula Müller-Wallfraf neu übersetzt und von Gris Grimly umfangreich illustriert wurden.

Enthalten sind:

  • Das verräterische Herz
  • Die Heilmethoden von Doktor Teer und Professor Feder
  • Die längliche Kiste
  • Die Tatsachen im Falle Valdemar

 

Mein Leseeindruck

1. Die Erzählungen:

Den Erzählungen merkt man ihr Alter von mehr als 150 Jahren natürlich deutlich an, sie ziehen beim Lesen aber auch heute noch in den Bann und haben eine starke Dynamik. Thematisch kreisen alle vier Geschichten um die Themen „Wahnsinn“ und Tod.

Trotzdem haben die Geschichten meiner Meinung nach eine sehr unterschiedliche Qualität:

„Das verräterische Herz“ konnte mich immer noch fesseln, obwohl ich die Geschichte schon kannte: Ein Ich-Erzähler berichtet über seinen vermeintlich perfekten Mord und die Art und Weise, wie er sich schließlich doch verrät. Es ist meiner Meinung nach die stärkste Geschichte der Sammlung und eindeutig das „Zugpferd“ in dieser Zusammenstellung.

Auf „Das verräterische Herz“ folgt die - wie ich finde - schwächste der vier Erzählungen. So wie der Titel „Die längliche Kiste“ eher nichtssagend daherkommt, entwickelt sich auch die Geschichte. Der Protagonist trifft auf einer Schifffahrt einen alten Bekannten, in dessen Gepäck sich eine große längliche Kiste befindet, und beginnt zu rätseln, was es mit der Kiste auf sich haben könnte und was sie enthält. Erst eine Havarie des Schiffs lüftet das Geheimnis – das leider nicht besonders originell ist und sich schon von Anfang an erahnen lässt.

Nach den ersten beiden düsteren Geschichten kommen „Die Heilmethoden von Doktor Teer und Professor Feder“ ganz anders daher: Ein Protagonist  besucht eine psychiatrische Heilanstalt, um die dort angewandte neue Behandlungsmethode kennenzulernen – und trifft auf eine sehr skurrile Ansammlung von Menschen, die die Anstalt leiten. Diese Erzählung ist zwar sehr komödiantisch angelegt, aber leider auch sehr früh durchschaubar.

Einen guten und gruseligen Abschluss bilden dann „Die Tatsachen im Falle Valdemar“: Hier wird ein Sterbender hypnotisiert. Was das für Folgen hat, ist auch heute noch originell zu lesen.

2. Die Illustrationen:

Gris Grimlys Zeichenstil ist durchaus zum Thema passend und unterstützt die Dynamik der Geschichten – leider trifft er aber überhaupt nicht meinen Geschmack. Mir gefallen weder die Figuren noch die Farbgebung, und ich finde die Ausgestaltung sehr flüchtig. Hinzu kommt die sehr einheitliche Gestaltung, die wohl als verbindendes Element zwischen den Erzählungen gedacht ist. Gerade dieser einheitliche Stil wird, wie ich finde, den sehr unterschiedlichen Erzählungen aber eben nicht gerecht.

3. Die Neuübersetzung:

Die Textpassagen hier sind sehr stimmig. An einer Stelle hätte ich mir allerdings eine kurze Übersetzererläuterung gewünscht, da der Begriff „Mesmerismus“/“mesmerisieren“ im Deutschen doch sehr „unüblich“ ist und mir nicht klar ist, warum die Übersetzerin hier nicht einfach das verständlichere Wort „Hypnose“ bzw. „hypnotisieren“ verwendet hat.

Inwieweit ansonsten Kürzungen oder Änderungen gegenüber Original und bisherigen Übersetzungen vorliegen, kann ich leider nicht beurteilen, da mir die anderen Texte nicht zum Vergleich vorliegen.

Meine Leseempfehlung:

Für Jugendliche und Erwachsene, die gerne Klassiker bzw. klassische Gruselliteratur oder Comics lesen und sich mit Gris Grimlys Zeichenstil anfreunden können.