Rezension

gut gemachter Justizkrimi, aber kein Thriller

Cupido - Jilliane Hoffman

Cupido
von Jilliane Hoffman

Bewertet mit 3 Sternen

Inhalt: C.J. Townsend, vor 12 Jahren selbst Opfer einer brutalen Vergewaltigung, ist Staatsanwältin und kämpft sehr erfolgreich für Gerechtigkeit. Als sie den Prozess gegen einen Serienmörder leiten soll, glaubt sie, in ihm ihren Peiniger wiederzuerkennen. Ist es wirklich der selbe Mann? Steht sie den Prozess durch? Schafft sie die Verurteilung?
Meinung: Die Handlung wird aus verschiedenen Perspektiven beschrieben, sodass der Leser manchmal durch den vorhergegangenen Abschnitt genau weiß, was sich an äußerer Handlung im nächsten Abschnitt abspielen wird, der das Ganze nur aus einer anderen Perspektive erzählt. Dadurch fällt es sehr leicht, sich in diesen Abschnitten nur auf die Gefühle und Gedanken der betroffenen Person zu konzentrieren, was vor allem dann eine Beklemmung auslöst, wenn aus Sicht der Opfer geschildert wird. Man bekommt als Leser den Kampf von Chloe, in ihrem Leben Normalität aufrecht zu erhalten, hautnah mit und der Blick wird, ungewöhnlich für dieses Genre, auf psychische Spätfolgen des Opfers gelenkt, was durchaus sehr interessant ist und auch zum Nachdenken anregt. Die Gewaltdarstellungen in diesem Buch sind oft aus der kalten, distanzierten Sicht des Gerichtsmediziners gemacht, wodurch es leider zu leicht fällt, sich auch als Leser davon zu distanzieren. Handwerklich gut gemachter Justizthriller, der Einblicke in das amerikanische Justizsystem gibt (und an manchen Stellen auch gehörig daran zweifeln lässt), der aber der Beschreibung als Psychothriller nicht gerecht wird. Es fehlt über weite Strecken die atemlose Spannung, bei der man als Leser jederzeit mit einem neuen Angriff rechnen muss. Da für mich einen guten Psychothriller nicht die Schrecken der Taten ausschlaggebend sind, sondern eigentlich die Spannung und die Angst VOR den Taten, das mitfiebern mit den Opfern, was hier komplett fehlt, ist dieser Roman für mich eher als Krimi zu lesen, aber als ein durchaus sehr Guter! Deshalb finde ich es schade, dass durch den Klappentext und den Vergleich mit Hannibal Lecter falsche Erwartungen geweckt werden. Schade ist auch, dass Motiven und Beweggründen des Täters keine Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Die Idee des persönlichen Showdowns zwischen Staatsanwältin und Täter ist vielversprechend, aber nicht überzeugend umgesetzt. Der Täter reagiert nicht richtig auf die Anklägerin, „spielt“ nicht mit ihr, muss es aber auch nicht, weil die Staatsanwältin auch 12 Jahre nach ihrer Vergewaltigung noch ein Nervenbündel ist, die der Konfrontation nicht gewachsen ist. Ich hätte mir etwas mehr Stärke, mehr Rächerin gewünscht, wenn es schon darum geht, das Rechtssystem zu beugen, um die eigenen Ziele durchzusetzen.

Alles in allem ein guter Roman, dem es zu Beginn auch gelingt, extreme Spannung und Thrill aufzubauen, sodass man als Leser lieber zweimal checkt, ob alle Fenster geschlossen sind, diese Spannung geht aber bald verloren und übrig bleibt ein Krimi, der die Untiefen des amerikanischen Justizsystems und die persönliche Geschichte der Staatsanwältin in den Vordergrund stellt. Ich war etwas zwiegespalten, wieviele Sterne ich vergeben soll. Als Kriminalroman wären es wohl 4 geworden, aber da ich finde, dass die Erwartungen als guter Thriller nicht wirklich erfüllt wurden, gibt’s nur 3.