Rezension

Gut recherchiert und spannend erzählt

Schandweib - Claudia Weiss

Schandweib
von Claudia Weiss

Bewertet mit 5 Sternen

Hamburg 1701: Eine kopflose weibliche Leiche wird gefunden, niemand weiß, wer sie sein könnte und warum und von wem sie ermordet wurde. Als schließlich jemand seine Tochter als vermisst meldet, liegt der Verdacht nahe, sie könnte die Tote sein und nun gibt es auch jemand, der verdächtig ist: Ilsabe Bunk, die als Mann unter dem Namen Hinrich Bunk lebt. Hinrich Wrangel, neu in Hamburg und Prokurator am Niedergericht, wird als ihr Pflichtverteidiger eingesetzt. Wrangel, der seine Arbeit ernst nimmt, entdeckt Ungereimtheiten und tut sein Möglichstes, Ilsabe zu helfen.

Der Roman beruht auf dem wahren Fall der Ilsabe Bunk. Ich finde das sehr faszinierend, auch, was Claudia Weiss aus diesem Fall gemacht hat. Die Autorin ist Historikerin, sie weiß, wie man historische Fakten recherchiert. Leider gibt es im Buch keine Erwähnung darüber, was Fakten und was Fiktion ist (es findet sich im Anhang aber ein Glossar mit wichtigen Begriffen und Personen). Allerdings bietet das Enhanced Ebook die Möglichkeit, entsprechende Informationen abzurufen ebenso wie die Internetseite zum Buch.

Aber auch ohne dieses Wissen ist der Roman absolut lesenswert. Die Autorin erzählt spannend und bedient sich einer Sprache, die zu Zeit passt. Sie scheut auch nicht davor zurück, wenige Erfreuliches zu erzählen. Folter und Hinrichtungen gehörten zur Wahrheitsfindung und Rechtsprechung damals dazu und gehören deshalb mit in die Geschichte, allerdings wird beides nicht übertrieben eingesetzt.

Die Charaktere sind tiefgründig und wirken authentisch. Ilsabes Vorgeschichte erfährt man teilweise schon im Prolog und man kann nachvollziehen, warum sie ein Leben als Mann vorzog. Hinrich Wrangel ist sympathisch und bietet durchaus Identifikationsmöglichkeiten. Gut gefällt mir auch der Henker, der hier einmal kein unsympathischer und brutaler Mensch ist sondern eben seinen Job tut und ansonsten ein ganz normaler, sogar recht sympathischer Mann ist.

Die Hamburger Morgenpost wird auf dem Klappentext damit zititert, dass sie den Roman einen „Justiz-Thriller“ nennt, und ja, dieses Wort passt wirklich gut. Hauptteil der Handlung ist im Grunde genommen der Prozess, in dem es um Ilsabes vermeintliche (oder tatsächliche?) Taten geht. Es ist ungeheuer interessant, wie Rechtsprechung damals geschah. Claudia Weiss lässt zudem politische Ereignisse und sozialen Umständen mit ins Geschehen einfließen, an Hand der Figur des Moses Abelson und dessen Tochter Ruth wird dem Leser zudem Einblick in das jüdische Leben der damaligen Zeit gewährt.

Wer Wert auf gut recherchierte historische Romane legt, in denen die Handlung nicht losgelöst von tatsächlichen gesellschaftlichen und politischen Gegebenheiten erzählt wird, ist hier genau richtig. Außerdem ist der Roman sehr spannend, interessant und mit lebendig wirkenden Charakteren ausgestattet. Mir hat er sehr gut gefallen und erhält neben der vollen Punktzahl auch eine absolute Leseempfehlung von mir. Und wer nach seiner Lektüre gerne wüsste, wie es mit Wrangel weitergeht, der kann direkt zum Nachfolgeband „Scharlatan“ greifen, den ich ebenso gut fand.