Rezension

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Gut recherchierte, faszinierende Allianz von Krimi und historischem Nordsee-Roman

Fluch über Rungholt - Franziska Steinhauer

Fluch über Rungholt
von Franziska Steinhauer

Bewertet mit 5 Sternen

"Fluch über Rungholt" von Franziska Steinhauer erschien als tb im Gmeiner-Verlag (2017) und ist der erste, aber sicher nicht der letzte Roman, den ich von dieser Autorin gelesen habe. (Es ist bereits der 16. Roman, der von ihr im Gmeiner-Verlag publiziert wurde).  Er erschien in der Reihe 'Gmeiner Spannung' und trägt den Untertitel 'Historischer Nordsee-Roman'; das düster wirkende Cover passt mit seiner Düsterkeit und den schäumenden Nordseewellen sowie mit den historisch anmutenden Männern und Schiffen hervorragend zum Romaninhalt; auf den Innenseiten der Buchdeckel findet sich eine Karte von Rungholt und Strand, die ich südlich von Amrum vermute. 

Rungholt, 1362: 

Auf Rungholt, einer Nordsee-Insel, werden Tilda und Enken, zwei junge Frauen, im Moor gefunden: Beide tragen eine kleine Wunde am Körper und alles deutet auf Mord. Hauke, ein Weber und sein Freund Shahid, ein orientalischer Gelehrter und - wie im Verlauf der Geschichte zu lesen sein wird - ein Zeitreisender, ermitteln... 
Es handelt sich um einen kulturhistorisch sehr interessanten Roman, da Landschaft und Menschen, die im 14. Jahrhundert auf Rungholt lebten, sehr detailliert beschrieben werden. Die Menschen suchen nach einem Sündenbock, den sie nur allzu gerne in Silja, der Engelmacherin und kundigen Kräuterfrau, sehen. Einige wenige Inselbewohner, die reich sind, besitzen Steinhäuser, die Ärmeren, meist Bauern oder Arbeiter in den Siedereien, leben in Holzhäusern. Kranke wie z.B. Aussätzige werden verbannt und aus der Gesellschaft ausgestoßen, wo man sie ihrem Schicksal überlässt. Ein Kranker, der ausgestoßen wurde, kann jedoch Shahid wertvolle Hinweise geben, als dieser den Ort aufsucht, an dem Enken gefunden wurde, das Moor... 

Es gibt einen Kreis älterer Männer, die Selbstjustiz auf der Insel üben und einen geheimen Frauenzirkel, die Arme und Kranke unterstützen: Der Pfarrer, Asmus, hat einen schweren Stand und wird kaum ernst genommen, nur vor dem 'blanken Hans' haben alle Respekt - ansonsten sind Prügeleien, Saufgelage, Spielsucht und Gewalt an der Tagesordnung. Selbst vor dem Herrenhaus der von Eichwalds macht diese Gewaltanwendung nicht halt: Elisabeth von Eichenwald verprügelt mit Hingabe die eigene Tochter und Liese, ihre Zofe.  
Ein dritter Toter wird im Sud der Salzsieder gefunden: Arnft, der grobe, bei allen unbeliebte Sieder, der ein Schürzenjäger war und sich immer nahm, was er wollte. Hauke und Shahid fragen sich, ob und was dieser Tod mit den Morden an den beiden Frauen zu tun haben könnte, während Liese zum Spielball der Herrin wird, die für einen Tiegel Creme ihre Zofe als Draufgabe der Zahlung an den zwielichtigen Alchimisten Comte de Champagne vereinbart; Shahid erweist sich hier als Retter in der Not und bringt Liese zurück ins Herrenhaus. Hier muss er erfahren, dass ein hübsches junges Mädchen weniger Wert hat als ein Pferd - was ihm zurecht den Atem stocken lässt.... 

Diese und weitere Szenen machen den großen Reiz dieses historischen Romans aus, da die Autorin sehr gekonnt gut recherchierte Details aus dem sozialen und kulturellen Zusammenleben der Bewohner Rungholts, die Not der einfachen Leute, der Rechtlosigkeit von Frauen etc. sehr gut darstellt, dass man sich als Leser das Leben auf Strand und Rungholt gut vorstellen kann. Mit dem dritten Mord steigt auch die Spannung weiter an. 

Es gibt ulkige und tragische Szenen, z.B. der wahrsagenden Brüder Johannes und Berthold oder die Therapiefreudigkeit des gelernten Medicus Shahid, die er zweifelsohne an dem Alchimisten mit Erfolg testet. Man schmunzelt mit Bernadette, die von der Therapie erfährt und sie mit schallendem Gelächter gut heißt; der Humor kommt also nicht zu kurz; doch drei Morde und eine Entführung sind aufzuklären und Berthold hat eine "Vision" des blanken Hans.... 

Gegen Ende des Romans überschlagen sich die Ereignisse; der Plot ist stimmig und nicht vorhersehbar. Zu wünschen bleibt, dass es Shahid gelungen ist, erneut in ein Abenteuer zu stürzen, in dem seine ermittlungstechnischen Fähigkeiten gebraucht werden :) 
Ein sehr gut zu lesender, schöner Sprachstil, der der Zeit angepasst wurde und fundierte Informationen über Rungholt - Legende und Wahrheit - sowie Literaturhinweise runden diesen sehr lesenswerten und unterhaltsamen, hervorragend recherchierten Roman ab. 

Fazit: 

Ein fundierter historischer Roman mit Krimielementen mit zwei gewitzten Ermittlern: Hauke und Shahid. Spannend und kulturhistorisch sehr interessant in gelungenem Sprachstil. Franziska Steinhauer gelingt es, die Protagonisten und das Leben auf Rungholt im 14. Jhd. sehr lebendig darzustellen und zieht den Leser in den (mittelalterlichen) Bann der Geschichte. Letztendlich versorgt sie den Leser am Romanende mit fundierten Informationen und Literaturangaben. Ich empfehle diesen historischen Nordsee-Roman sehr gerne weiter und vergebe 4,5 * sowie 93° auf der "Histo-Couch".