Rezension

Gute Geschichte mit kleinen Schwächen

Die verlorene Geschichte - Rebecca Martin

Die verlorene Geschichte
von Rebecca Martin

Bewertet mit 4 Sternen

Lea ist schwanger und wird aus diesem Grund von ihrem Lebensgefährten im Stich gelassen. Sie weiß nicht, an wen sie sich wenden soll: Mit Rike, ihrer Mutter, versteht sie sich nicht so gut, ihre beste Freundin Millie ist in Spanien unterwegs und ansonsten ist da groß niemand. In dieser Zeit begegnet sie einem fremden Mann in einem orangenen Käfer (ja, der muss extra erwähnt werden, weil wir ja auch einen kleinen orangenen Schatz in der Garage stehen haben). Wichtiger allerdings ist Claire, ihre eigentlich verstorbene Großmutter, die plötzlich vor ihrer Haustür steht – die Vorwarnung war ein Prospekt von Claires australischem Guest House.
Claire wiederum hat schon seit einigen Jahren Sehnsucht nach Deutschland und daher das Weingut ihrer Familie gekauft, der Ort, an dem sie ihre glücklichste Zeit erlebt hat. Jedoch kamen ihr der Tod ihres Ehemannes und ihrer Schwiegertochter dazwischen, so dass sie erst jetzt ihre Pläne verwirklichen kann – allerhöchste Zeit, würde ich sagen, denn Claire ist bereits 85.
Zuerst mal finde ich, dass Lea Claire ein bisschen arg schnell akzeptiert. Wenn bei mir eine alte Dame vor der Tür stehen würde und mir erzählen würde, sie wäre meine Großmutter, die ich nur nicht kenne, wäre ich nicht so schnell dabei. Lea akzeptiert Claire praktisch sofort. Und kann auch gleich mal ihren ganzen Jahresurlaub nehmen und bei der Renovierung helfen. Sehr praktisch und sehr unwahrscheinlich.
Ich finde, Rebecca Martins Geschichte hat unglaublich viel Potenzial. Es gibt immer wieder kleinere Schwächen und vor allen Dingen auch immer wieder Kürzungen: Die Probleme zwischen Claire und ihrer Tochter Rike. Claires Sohn John und seine Probleme sowie seine Tochter Judy. Und dann wäre da auch noch die Liebesgeschichte zwischen Lea und Tom, ich bin immer noch nicht sicher, wie sich das Ganze entwickelt hat, es läuft einfach so nebenher. Gerade eben die Geschichten aus der Gegenwart wirken etwas überstürzt stellenweise und nicht richtig ausgearbeitet. Die Vergangenheit – beide Zeitstränge – sind dagegen liebevoller ausgearbeitet und gestaltet. Da habe ich das Gefühl, dass der Autorin dieser Teil mehr lag.
Dennoch, wie bereits gesagt, die Geschichte hat Potential und ich hätte mich gefreut, wenn sie dieses noch mehr ausgearbeitet hätte. Das Gesamtkonzept des Buches ist in sich stimmig und die verschiedenen historischen Stränge wirken sich fantastisch aufeinander aus. Die Verstrickungen bleiben bis zum Ende spannend und erst zum Schluss findet man heraus, wer das Skelett ist, das im Prolog bei Ludwig gefunden wurde.
Stilistisch ist es wirklich schön geschrieben, doch auch wenn es heißt, der Roman würde an beispielsweise Kate Morton heranreichen, sehe ich das nicht ganz so. Kate Morton ist eine Meisterin auf ihrem Gebiet und auch wenn Rebecca Martin wirklich eine tolle Geschichte geschrieben hat, schafft sie es doch nicht an die Klasse einer Frau Morton heran.
Fazit
Ich denke, Frau Martin hätte ihr Potential noch mehr ausschöpfen können. Streckenweise ist der Roman wirklich hervorragend gelungen, doch es gibt auch Schwächen. Manchmal mangelt es an Erklärungen und Ausführungen, manchmal fehlt die Motivation für das Handeln. Nichtsdestotrotz ein sehr gutes und kurzweiliges Buch, denn gerade die historischen Teile sind interessant und in sich stimmig.