Rezension

Guter Auftakt mit kleinen Schwächen

Die Erleuchtete - Das Dunkel der Seele - Aimee Agresti

Die Erleuchtete - Das Dunkel der Seele
von Aimee Agresti

Bewertet mit 4.5 Sternen

„Die Erleuchtete – Das Dunkel der Seele“ von Aimee Agresti ist der erste Band einer Trilogie und gleichzeitig auch das Debüt der amerikanischen Autorin. Angesiedelt ist die Handlung dieser Urban-Fantasy im modernen Chicago, wo der ewige Kampf zwischen Himmel und Hölle in eine neue Runde gehen wird, denn, wie das wunderschöne Cover schon vermuten lässt: Es geht um Engel und ihre Widersacher…

Zum Inhalt: Haven Terra wurde als kleines Kind am Waldrand gefunden, mit Narben auf Brust und Rücken, die sie immer noch sehr belasten. Mittlerweile führt die 16jährige ein glückliches Leben bei ihrer Pflegemutter und gehört zu den besten Schülern ihres Jahrgangs. Zusammen mit ihrem besten Freund Dante und einem weiteren Schüler ihrer High School, dem verschlossenen Lance, wird sie für ein Stipendium ausgewählt und zu einem mehrmonatigen Praktikum in ein bald neu eröffnendes Hotel in Chicago geschickt. Nicht nur der Luxus des Prestige-Objekts beeindruckt Haven und ihre beiden Mitschüler, sondern auch die jungen Mitarbeiter, die allesamt aussehen wie Topmodels. Doch hinter der schönen Fassade verbergen sich dunkle Abgründe…

Zunächst wirkte der allgemeine Aufbau des Romans ziemlich unglaubwürdig. Drei Schüler werden mitten im Schuljahr aus dem Unterricht gerissen, um in einem Hotel, unqualifiziert wie sie sind, Hilfsarbeiten oder Jobs außerhalb ihrer Möglichkeiten zu erledigen? Zudem landen sie nicht in irgendeinem Hotel, sondern in dem neuen Luxustempel der Stadt, einem Hotel, in dem in den 20er Jahren schon Al Capone gelebt haben soll. Das ist doch vollkommen unrealistisch und so wunderte es mich auf den ersten hundert Seiten ganz besonders, dass keiner der Protagonisten hier wirklich stutzig werden wollte – die nahmen das alles so einfach hin? Stattdessen sind die Ich-Erzählerin und ihre beiden Begleiter, Lance und Dante, völlig geblendet von ihrer neuen Umgebung und besonders von ihren Mentoren aus den Reihen des Syndikats, wie sich die Hotelmitarbeiter selbst nennen. Die Chefin Aurelia ist wunderschön, ebenso ihr Assistent Lucian, der zu Havens Überraschung auch noch mit ihr zu flirten beginnt.

Obwohl die Autorin sehr stark schreibt, bildhaft und atmosphärisch, und den Flair des Hotels mit all dem Luxus und dem den 20er Jahren nachempfundenen Stil wundervoll einfängt, war es doch ein wenig müßig, das erste Drittel des Buches zu lesen. Es ist nicht schwer zu erraten, in welche Richtung sich „Die Erleuchtete“ entwickeln wird. Auch wenn die Autorin im Laufe des Romans einige gute Wendungen einbaut, die Grundzüge müssten jeden Leser, der einen Blick auf das Cover geworfen hat und dem Urban-Fantasy als Genre nicht vollkommen unbekannt ist, von vorn herein vertraut sein. Da war der Hang der Autorin, Details, die leider auch zahlreiche Wiederholungen im Arbeitsalltag der Schüler mit einschlossen, sehr ausführlich zu schildern, schon ein wenig lästig. Nicht zuletzt auch aus dem Grund, weil die Grundidee und die Ausgangssituation – Schüler arbeiten im Hotel statt zur Schule zu gehen - erst dann Sinn ergeben, wenn das manipulative Beiwerk des Hotelier-Syndikats sich zunehmend offenbart.

Ein wenig mehr Schwung hätte dem Buch zu Beginn also meiner Meinung nach wirklich gut getan, hätte auch das Interesse von Lucian an Haven und das gesamte Umfeld dieses merkwürdigen Hotels, in dem 16jährige Praktikanten in Nachtclubs feiern gehen dürfen, weniger nach Kitsch aussehen lassen, denn der Sinn dahinter zeigt sich – nur leider recht spät. Nach etwa einem Drittel findet die Autorin dann allerdings ein gutes Erzähltempo. Immer noch beschreibt sie recht bedacht, tastet sich langsam vor, sie versteht es aber, den Leser mit kleinen Hinweisen so hinzuhalten, dass es nicht langweilig sondern hochspannend wird.

Haven, die Ich-Erzählerin ist ein solider Charakter und zeichnet sich besonders durch ihr rationales Verhalten aus. Vertrauen und Misstrauen sind bei ihr wohlüberlegte Prozesse, sie entwickelt sich in angemessener Weise und ist auf angenehme Art intelligent und aufmerksam. Für mich ist diese Protagonistin eine sehr erfrischende Figur gewesen, der ich gerne tiefer in die immer mysteriöser und teilweise sehr gruselig werdende Welt gefolgt bin. Gänsehautmomente hat „Die Erleuchtete“ haufenweise – ein echtes Paradebeispiel für eine gute Urban-Fantasy-Geschichte. Diese Elemente ließen mich den etwas schleppenden und nicht ganz logischen Start auch schnell wieder vergessen, zumal dieser Trilogie-Auftakt mit einigen Wendungen und Überraschungen auf ein wirklich gelungenes, packendes Finale zusteuerte, das mich noch einmal richtig mitreißen konnte.
Auch die Nebencharaktere punkten. Sowohl Dante als auch Lance, Havens Mitschüler, sind abwechslungsreiche Figuren, wie auch die Hotelleiterin Aurelia oder ihr Assistent Lucian.

Fazit: „Die Erleuchtete – Das Dunkel der Seele“ ist ein gelungener Auftakt mit spannenden und mysteriösen Urban-Fantasy-Reihe, die durch starke Charaktere und ein interessantes Setting überzeugen kann. Wäre der Anfang weniger schleppend und an einigen Stellen glaubwürdiger gewesen, wäre ich rundum begeistert. So vergebe ich mit kleinen Abstrichen gute 4 Sterne und freue mich schon auf den zweiten Band.