Rezension

Hält das Niveau der Reihe mit fesselndem Schreibstil und tiefgründigem World Building!

Tower of Dawn - Sarah J. Maas

Tower of Dawn
von Sarah J. Maas

Bewertet mit 5 Sternen

! ACHTUNG - ENTHÄLT SPOILER ZU DEN VORGÄNGERN UND DER VORGESCHICHTE !

 

Inhalt:

Chaol und Nesryn reisen zum südlichen Kontinent, um den dort gottähnlich herrschenden Khagan davon zu überzeugen, ihnen in dem Krieg gegen Erawan beizustehen. Doch seine Gunst zu erwerben ist alles andere als leicht, erst recht nicht, wenn seine Nachkommen alle eigene Pläne verfolgen ...
Gleichzeitig ist Chaol aber noch mit einer anderen Hoffnung dorthin gekommen: In dem sagenumwobenen Torre Cesme bei den auch beim Khagan geschätzten Heilerinnen Hilfe und Heilung zu finden ...

Meine Meinung:

Gefühlt ist die Autorin dabei, einen Extraband nach dem anderen in die Welt hinaus zu schleudern, und ich bin wirklich kein Fan von massenweise Extrabändern, nicht mal bei meiner Lieblingsreihe. Erst recht nicht bei meiner Lieblingsreihe. Aber weil ich die Reihe liebe, zog dieses Buch dann doch bei mir an. Und soviel sei gesagt: Ich habe es nicht bereut.
Tatsächlich halte ich es sogar für unerlässlich, diesen Band zu lesen, ebenso, wie die Vorgeschichte zu lesen, aber hier vielleicht sogar noch ein Stück mehr. Ich weiß nicht, inwieweit die Ereignisse im finalen Band zusammengefasst werden, aber dieses Buch beeinflusst mit seinen Enthüllungen und (Charakter-)Entwicklungen wesentlich die Handlung, weshalb ich es als vorletzten Band einordnen würde. Gleichzeitig spoilert er eben auch die Handlung von "Empire of Storms", dadurch, dass die Geschehnisse eben zum Teil auch rüberdringen. (Zum Teil aber auch nicht, was gleichzeitig Amüsanz, aber auch Verzweiflung bei der/dem Leser*in hervorrufen kann.)

Dieses Buch brauchte nur wenige Seiten, um mich daran zu erinnern, was ich an dieser Reihe so liebe: Die komplexe Welt, die Charaktere, die Verflechtungen, die Präsenz der Vergangenheit, der Plot, die Epik, Aelin ... Und somit band sich mir die Frage auf, wieso ich mir einen Band davon entgehen lassen wollte.
Dabei zeigt sich der Schreibstil gewohnt fesselnd, er zog mich in seinen Band, sodass aus "nur zehn Seiten" auf einmal hundert wurden, ohne dass mir das bewusst wurde.

Dadurch, dass dieser Teil in dem südlichen Kontinent spielt, bietet sich dem/der Leser*in einen Einblick in eine andere Kultur, die aber ebenso komplex ausgearbeitet ist und die ich mit Freude entdeckt habe. Dabei werden sowohl Licht- als auch Schattenseiten vor allem des Systems gezeigt: So leben die Menschen seit Jahrhunderten in Frieden und Wohlstand, dafür allerdings beherrscht von einer Autokratie, die einst alle Stämme unterworfen hat, bei der die Herrschaft zwar gesichert ist durch spezielle Regelungen, diese aber auch beinhalten, dass die Kinder des letzten Herrschers sich teilweise gegenseitig umbringen.
Somit stehen diese Kinder jederzeit in einem Wettstreit um die zukünftige Herrschaft, was natürlich zu Intrigen führt, sodass man sich auch als Leser*in nie so ganz klar ist, wem man am Hof da eigentlich trauen kann, obwohl der Fokus zunehmend doch eher auf der eigentlichen Handlung liegt. Dennoch wird gleichzeitig thematisiert, inwieweit Stabilität, Frieden und Wohlstand diese Herrschaftsform legitimieren und gezeigt, dass das eben nicht Schwarz-Weiß ist.

Die Stadt, die Chaol und Nesryn besuchen, liegt in der Wüste und weist daher auch eine entsprechende Atmosphäre auf, verbunden mit den arabisch klingenden Namen und dem südländischen Aussehen der dort lebenden Menschen, genau dem Aussehen, für das Nesryn teilweise in Adarlan diskriminiert wurde. In Bezug auf sie werden hier auch Fragen der Identität thematisiert, da Nesryn in gewisser Weise nach zuhause zurückkehrt, jedoch in einer Funktion als Diplomatin Adarlans.
Auch sonst unterscheidet sich die dortige Kultur von der Adarlans, sodass Frauen weitaus mehr Rechte haben und geschätzter sind. Auch sonst sind die Umgangsformen teils anders und ich mochte es, wie viel Arbeit die Autorin hier in die Ausarbeitung des World Builings gesteckt hat.
Genauso mochte ich übrigens auch, dass die eine Prinzessin ganz selbstverständlich mit einer Frau liiert ist.

Beim Lesen merkte ich wieder, wie sehr ich Chaol eigentlich ins Herz geschlossen haben. Manchmal dachte ich ein wenig wehmütig an die guten alten Zeiten aus Teil 1, als es noch Celaena, Dorian und er waren und die größte Gefahr von Cain ausging. Als alles so süß harmlos war und es noch nicht um Kriege, Königreiche und das Ende der Welt ging. Na ja.
Natürlich hat Chaol sich auch weiterentwickelt. Größter Konfliktpunkt ist dabei die Tatsache, dass er querschnittsgelähmt ist und im Rollstuhl sitzt. Ich muss zugeben, ich war skeptisch. Disability ist ein kritisches Thema und gerade am Anfang denkt Chaol oft, dass er so weniger wert sei. Allerdings - in gewisser Weise sind das wieder nachvollziehbare Gedanken und Konflikte einer Person, die es gewohnt ist, top trainiert und leistungsfähig zu sein. Und im Endeffekt stellte sich heraus, dass die Autorin das meiner Meinung nach gelungen gelöst hat.

Dadurch, dass ich Chaol wie gesagt sehr mag, gerade da er auch relativ respektvoll ist, wenn auch in gewisser Weise nachvollziehbarerweise gebrochen, hatte ich auch gar kein Problem damit, dass Akteure wie Aelin hier gar nicht auftauchen. Neben Chaol gibt es aber noch zwei weitere Erzählerinnen:
Einmal Nesryn, logischerweise, die ich ebenfalls mochte. Durch ihre Sichtweise erhält man einen tiefen Einblick in ihre Schwächen und Ängste, was sie zu einem sehr vielschichtigen Charakter werden lässt.
Dann - Yrene. Die den meisten aus "The Assassin's Blade" noch bekannt sein dürfte. Es kann durchaus unterhaltsam sein, dass man als Leser*in als Einzige*r weiß, wer ihr damals wirklich geholfen hat. Auch Yrene war mir sehr sympathisch. Sie ist stark, nicht auf die körperliche, kampfbezogene Art, sondern vor allem charakterliche, was zeigt, dass Stärke nicht unbedingt auf den körperlichen Fähigkeiten basieren muss. Sie zeigt ein hohes Durchhaltevermögen, setzt sich für andere Menschen ein und kümmert sich als Heilerin mit Herz und Seele um sie, kann sehr stur sein, tritt selbstbewusst auf und lässt sich nicht unterkriegen, auch nicht, wenn sie sich um einen Lord aus Adarlan kümmern muss, obwohl dieses Land nur Hass in ihr hervorruft. Gleichzeitig hat sie aber auch verletzliche Seiten, sodass auch sie ein unglaublich vielschichtiger Charakter ist.

Genug geschwärmt, einen kleinen Kritikpunkt habe ich auch: Mir ging die Liebesgeschichte ziemlich lange auf den Keks. Manchmal nervten mich dabei Ausdrücke wie "male satisfaction". Vor allem aber dieses ewige Hin und Her und Partnergewechsel - als hätte man mit der drohenden Weltübernahme durch einen Dämonenfürsten, einer tyrannischen Fae-Königin und einem zerstörerischen Krieg keine anderen Sorgen, die die Handlung problemlos füllen könnten, nein, solche kleine Dramen müssen auch noch sein. Wobei das größte Drama am Ende umschifft wurde. Danke dafür. Und ab einem gewissen Punkt war es dann doch ganz süß.
Ansonsten - einige unvorhersehbare Wendungen, viele faszinierende Verknüpfungen und, obwohl ich anfangs echt ratlos war, womit man die Seiten bitte füllen will, viel Handlung und Action. Ein toller Teil einer tollen Reihe.

Fazit: Genauso toll und fesselnd wie der Rest der Reihe mit neuen wichtigen Informationen und einem detailreichen, sehr gut ausgearbeiteten World Building und sehr sympathischen, tiefgründigen Charakteren!