Rezension

Hältst du den Raben die Treue? Traust du ihnen denn?

Chosen 01: Die Bestimmte - Rena Fischer

Chosen 01: Die Bestimmte
von Rena Fischer

Bewertet mit 4 Sternen

Schon lange hat mich kein Buch mehr so in seinen Bann gezogen, wie dieses hier. Der flüssige, leichte Schreibstil und die angenehm kurzen Kapitel, lassen einen geradezu durch die Seiten fliegen. Die kurzen Kapitel geben jeder Szene eine gewisse Spannung und verleiten dazu, immer wieder ein weiteres Kapitel zu lesen. Doch nicht nur der Schreibstil, sowie die kurzen Kapitel machen förmlich süchtig, die spannende Geschichte - voller Intrigen, Geheimnisse, Vertrauen, Spionen, Verrätern an dem Internat für scheinbar Hochbegabte - entwickelt sich zu einem wahren Pageturner.
Offiziell handelt es sich um ein Eliteinternat für Hochbegabte, doch nur die treuen „Raben“, die Schüler innerhalb des geschlossenen Kreises wissen, was dort wirklich vor sich geht. An dieser Schule werden Menschen mit besonderen Gaben versammelt und ausgebildet, verborgen vor dem Großteil der Welt.

In diese Schule wird man durch die Sicht von der Protagonistin Emma geleitet. Zwischendurch wechselt die Sichtweise zu ihrer Mutter in die Vergangenheit, als sie selbst noch an dieser Schule war. Dieser Sichtwechsel wird immer deutlich hervorgehoben, indem die Sicht der Mutter in einem leicht helleren Grauton geschrieben wurde.

Seit Emma zurückdenken kann, wird sie von ihrer Mutter ausgebildet. Ihre Mutter Rina härtet sie ab, stärkt sie, gibt ihr viele Weisheiten und Ratschläge mit auf dem Weg und hält die Gabe ihrer Tochter eisern Geheim. Ihre Fähigkeit ist es die Gefühle anderer Menschen wahrnehmen und in ihnen abtauchen zu können. Doch obwohl sich Emmas Mutter immer auffällig bedeckt hält und versucht Emma und ihre Gabe versteckt zu halten, landet Emma nach einigen Ereignissen doch in genau dieser Schule. Dabei trifft sie auf ihren bisher unbekannten Vater, den bei ihm wohnenden Aiden, den geheimnisvollen Schulleiter Ferran und vielen mehr. Erst als sie auf den abtrünnigen Jared trifft muss sie erkennen, dass ihr neu gewonnenes Zuhause alles andere, als ein Heim und gefährlicher ist, als es den Anschein hat.

Mit Emma ist der Autorin eine wunderbare Protagonistin gelungen. Auch wenn nicht all ihre Handlungen nachvollziehbar sind, so macht sie das mit einigen überlegten, intelligenten Handlungen wieder wett. Emma ist ein gelungener Mix aus impulsiv, naiv, intelligent, temperamentvoll und mutig. Sie ist nicht auf den Mund gefallen und mit all diesen Eigenschaften, hat sie ein Händchen dafür, sich selbst in Gefahr zu bringen. Je mehr sie in den Strudel der einzelnen Lügen, Geheimnissen und Halb-Wahrheiten landet, desto gefährlicher wird ihre Lage und desto impulsiver, mutiger, intelligenter handelt sie, um aus der Lage wieder herauszukommen. Über die Seiten, wächst Emma innerlich und führt ein gefährlich altes Spiel fort, dass ihre Mutter damals zu ihrer Zeit in der Schule begonnen hat. Doch spielt Emma wirklich dieses Spiel oder spielt es mit ihr? Und was ist damals zur Zeiten ihrer Mutter geschehen? Warum hat sie sich bedeckt gehalten und vor allem: vor wem wollte sie Emma schützen?

In diesem Buch erhält man eine spannende Geschichte, die teilweise durch Mistery-Elementen – verstärkt durch den Gegenwarts- und Vergangenheitskontrast in der Geschichte – aber auch durch Fantasy-Anteile glänzt. Auch in Sachen Liebe mangelt es diesem Buch nicht. Dieser Mix verbindet sich zu einer außergewöhnlich, süchtig machenden Geschichte, bedient sich dabei allerdings auch einigen Klischees. Wir haben dieses eine Mädchen, das plötzlich zu etwas ganz Besonderem wird durch ihre Gabe, aber auch die typische Dreiecksbeziehung zwischen einem der treuesten Raben und dem Abtrünnigen, der die Raben vernichten will. Doch je mehr man von beiden Seiten erfährt, desto schwieriger ist es sich zu entscheiden, wem man noch vertrauen soll. Gegen Ende springt selbst der Leser zwischen Vertrauen und Misstrauen ständig hin und her. Es hat unglaublich Spaß gemacht mit zu rätseln.

Ein klarer Kritikpunkt für mich ist jedoch der irgendwann fehlende Durchblick in der Welt dieser Schule. Es gibt unglaublich viele Gaben, dabei bin ich mir ziemlich sicher, dass man in diesem Band noch nicht mal annähernd alle kennenlernen konnte. Auch werden immer wieder unterschiedliche Ränge innerhalb der Raben erwähnt, aber irgendwann hat man da einfach nicht mehr durchblicken können. Ein Rängesystem und/oder ein Glossar am Ende des Buches, wären also ungemein nützlich gewesen. Irgendwann habe ich einfach aufgegeben, die ganzen Unterschiede zwischen den Rängen noch verstehen zu wollen.

Fazit:

Ein absolut spannender Pageturner, mit unglaublichem Tempo und süchtig machendem Schreibstil. Die Charaktere weisen einen gelungenen Mix an Charakterzügen auf und wirken dabei lebendig, sowie sympathisch. Intrigen, Geheimnisse und Verräter machen es einem schwer, die Wahrheit hinter den ganzen Lügen zu erkennen und schnell rätselt der Leser zusammen mit der Protagonistin über die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft. Viele Ränge und verschiedene Gaben, erschweren den Überblick, vor allem, da sie über die Geschichte verteilt erst überhaupt erwähnt werden. Wer außerdem mit Klischees oder Dreiecksbeziehungen nichts anfangen kann, sollte eher die Finger von diesem Buch lassen.