Rezension

Hätte mir mehr erhofft...

Untiefen - Sheena Kamal

Untiefen
von Sheena Kamal

Untiefen“ ist ein düsterer, mittelmäßiger Reihenauftakt mit einer ungewöhnlichen, starken, aber auch problembeladenen Hauptfigur, deren Verhalten ich teilweise übertrieben rücksichtslos fand , so dass sie bei mir leider nicht nur Pluspunkte sammeln konnte. Der Schreibstil ist prinzipiell angenehm zu lesen, mir war er aber teilweise zu detailliert, ebenso fehlte mir streckenweise Spannung. Glänzen kann die Geschichte um Nora Watts hingegen mit ihrem sarkastischen, schwarzen Humor und der düsteren Atmosphäre.

* Die Rezension enthält Spoiler, vor denen aber im Text noch einmal gewarnt wird! *

Inhalt

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Band #1 der Reihe um Noah Watts
Erzählweise: Ich-Erzähler + Figuraler Erzähler
Perspektive: weibliche Perspektive
Kapitellänge: mittel
Tiere im Buch: ++ Es werden im Buch keine Tiere gequält oder getötet.

Warum dieses Buch?

Der Klappentext hat mich sofort angesprochen, die Hauptperson erinnerte mich darin ein wenig an die Hauptfigur von „Good Behaviour“, einer Serie, die ich sehr mag. Deshalb war ich sofort neugierig.

Zitate

„Manchen Dingen kann man sich nur in der schützenden Dunkelheit der Nacht stellen. Man murmelt sie in sein Kissen, während im Hintergrund Ray Charles läuft, um die eigene Stimme zu übertönen, und am nächsten Morgen schüttelt man das Kissen aus.“ Seite 241

„Ich nehme es Lorelei nicht übel, dass sie so ist, wie sie ist. Dass sie alles kontrollieren will, was sich nur irgendwie kontrollieren lässt; dass sie so verzweifelt versucht dazuzugehören. […] Wir sind beide Flickwerk, sie und ich, aus verschiedenen Stücken zusammengenäht. Ihre Stücke sehen schöner aus als meine, aber die Ränder sind genauso ausgefranst. Sie achtet strikt darauf, dass niemand ihre Nähte sieht.“ Seite 157

Meine Meinung

Positiv

+ Einstieg

Der Einstieg fiel mir sehr leicht. Der freche, lockere Erzählstil von Nora begeisterte mich schon auf den ersten Seiten.

+ Nebenfiguren

Die Nebenfiguren sind mit einer Ausnahme sehr gut gelungen. Vor allem Brazuca, Seb, Leo und Whisper, Noras Hund, konnten mich absolut überzeugen. Toll und erfrischend finde ich hier, dass das Haustier nicht zu einer Nebensächlichkeit verkommt, sondern tatsächlich stark in die Geschichte und in Noras Leben eingebunden ist. Etwas zu einseitig und oberflächlich geschrieben fand ich den Bösewicht, der mir zu eindeutig böse war.

+ Humor

Großartig fand ich den düsteren Humor in diesem Buch, alleine schon Noras Ausführungen über Whisper, die ein promiskuitives Leben führt und ihre Begegnungen dann laut Noras Interpretationen furchtbar bereut. Es gab einige amüsante Stellen, die mich schmunzeln haben lassen.

+ Atmosphäre

Die Atmosphäre in diesem Buch, dieses verkorkste Leben am Rande der Gesellschaft, das Nora führt, hat mir aufgrund der Düsternis sehr zugesagt. Stellenweise ist das Buch deshalb sicherlich dem Noir-Genre zuzuordnen.

Neutral / Teils positiv + negativ

Schreibstil

Der Schreibstil hat zwei Seiten. Einerseits ist er angenehm flüssig und einfach zu lesen. Er enthält zudem sehr anschauliche, gelungene Beschreibungen und gelungene Schilderungen von Noras inneren Dämonen und ihrer oft düsteren Denkweise. Das mochte ich sehr. Andererseits war mir die Sprache stellenweise zu detailliert und das Lesen gelang teilweise nur schleppend. An manchen Stellen (vor allem in der zweiten Hälfte) hätten dem Buch Kürzungen sehr gut getan.

Idee & Themen

Der Grundplot und auch die Grundidee sind nun nicht wirklich etwas Neues, spannend wird die Geschichte dadurch, dass man als Leserin eine so ungewöhnliche, schwierige Protagonistin begleitet. Daher finde ich es nicht wirklich schlimm, dass das Buch nach einem schon oft gesehenen „Thriller-Muster“ gestrickt ist, das man, sofern man öfters in diesem Genre liest, bereits kennt. Allerdings finde ich wie  andere Rezensentinnen auch, dass manche Zufälle etwas zu „praktisch“ waren und dass manchmal Noras Verhalten nicht nachvollziehbar war.

Es werden sehr ernste Themen angesprochen, im Mittelpunkt steht natürlich die Problematik einer Schwangerschaft, die aus einer Vergewaltigung entstanden ist und dieses schreckliche Erlebnis selbst. Hier hätte die Autorin gerne noch, was Noras Gefühle betrifft, mehr in die Tiefe gehen können, denn ich fand die Behandlung des Themas etwas zu oberflächlich, weil es doch für die Persönlichkeit und das jetzige Leben der Hauptfigur eine so große Rolle spielt.

* Achtung Spoiler! *

Schade und unlogisch fand ich auch, dass Nora am Ende nicht nachgefragt hat, was sie denn so Schlimmes am Krankenbett zu ihrer Tochter gesagt hat. So hätte sich das Missverständnis sofort aufgeklärt und ich bin mir sicher, dass Bonnie sich mit ihr getroffen hätte. Das fand ich wirklich frustrierend.

*Spoiler Ende *

Negativ

- Hauptperson

Nora ist ohne Frage eine schwierige, aber auch interessante Hauptfigur. Am Beginn wuchsen sofort meine Sympathien für sie, ich mochte sie und begleitete sie gerne. Zusätzlich fand ich ihren düsteren, sarkastischen Humor lustig und ihre Stärke beeindruckend. Sie ist auf jeden Fall eine sehr gut ausgearbeitete Hauptfigur und ich habe sowieso eine Schwäche für „verkorkste“, problembeladene Hauptfiguren. Im Laufe des Buches hat sich meine Beziehung zu Nora leider negativ entwickelt, ihr teilweise egoistisches, feindseliges und aggressives Verhalten ohne Rücksicht auf Verluste hat mich sehr gestört. Besonders schlimm fand ich hier die Szene mit Brazuca mit dem Alkohol (wer das Buch gelesen hat, weiß, was ich meine). Ich verstehe, dass es ihr aufgrund ihrer Erfahrungen schwer fällt, anderen Menschen zu vertrauen, dennoch war mir ihr unausstehlichen Verhalten Personen gegenüber, die es eigentlich gut mit ihr meinen, ein Dorn im Auge. Hier hat die Autorin es meiner Meinung nach übertrieben.

- Spannung

Was die Spannung betrifft, so hätte ich mir viel mehr erhofft. Richtig „gethrillt“ fühlte ich mich jedenfalls über weite Strecken leider nicht. Kürzungen hätten dem Buch sicher auch diesbezüglich geholfen.

Mein Fazit

„Untiefen“ ist ein düsterer, mittelmäßiger Reihenauftakt mit einer ungewöhnlichen, starken, aber auch problembeladenen Hauptfigur, deren Verhalten  ich teilweise übertrieben rücksichtslos fand , so dass sie bei mir leider nicht nur Pluspunkte sammeln konnte. Der Schreibstil ist prinzipiell angenehm zu lesen, mir war er aber teilweise zu detailliert, ebenso fehlte mir streckenweise Spannung. Glänzen kann die Geschichte um Nora Watts hingegen mit ihrem sarkastischen, schwarzen Humor und der düsteren Atmosphäre. 

Bewertung

Idee: 3,5 Sterne
Ausführung: 3 Sterne
Schreibstil: 3 Sterne
Personen: 4 Sterne
Hauptperson: 3,5 Sterne
Spannung: 2,5 Sterne
Emotionale Involviertheit: 3,5 Sterne

Insgesamt:

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