Rezension

Halb gut - Das Problem ist die Perspektive

Das wirst du bereuen - Amanda Maciel

Das wirst du bereuen
von Amanda Maciel

Über diese Rezension habe ich länger nachgedacht als sonst. Einfach, weil ich nicht recht wusste, wie ich sie angehen soll. Ich habe mich nun dafür entschieden, die beiden Teile, aus denen die Geschichte besteht, einzeln zu betrachten.
Der eine Teil spielt im Zeitraum von Januar bis März. In dieser Zeit lebt Emma noch und als sie sich an Saras Freund heranmacht, beschließen Sara und ihre Freundin Brielle, ihr einen Denkzettel zu verpassen. Wie schon der Klappentext verrät, verselbstständigt sich diese Aktion und am Ende ist Emma tot. Genau das wurde der Geschichte bei mir zu Verhängnis: dass man von vorneherein weiß, wie es mit Emma enden wird. Das hat dafür gesorgt, dass bei mir keine echte Spannung aufkommen wollte. Ich war allenfalls neugierig, was Sara und Brielle sich als nächstes für Emma ausdenken würden. Ja, richtig gelesen: ich war neugierig! Ich habe es mir nicht mit Schaudern ausgemalt. Denn so richtig schocken konnten mich ihre Aktionen nicht. Zwar hat mir der Verstand gesagt, wie grausam sie sind, aber gefühlsmäßig kam das bei mir nicht so an. Das schiebe ich darauf, dass man die Geschichte aus Sicht einer der Täter liest, nämlich aus der von Sara. Und die leidet natürlich kein Stück unter den Grausamkeiten. Entsprechend undramatisch wirkten sie auf mich. Gefühlsmäßig, wie gesagt!
Ich denke, um auch zu spüren, wie schlimm ihre Attacken für Emma sind, hätte ich über Emmas Gefühlswelt lesen müssen. Sara hingegen fühlt sich völlig im Recht mit dem, was sie tut, und ich muss gestehen, dass ich oft sogar Verständnis für sie hatte. Nicht für das, was sie Emma zusammen mit Brielle antut, aber auf jeden Fall für ihren Hass auf Emma. Und so richtig unsympathisch war mir zumindest Sara auch nie. Brielle schon eher, aber eben nicht heftig genug um sie für ihr Tun zu verurteilen.
Der zweite Teil der Geschichte spielt im Zeitraum von Juli bis November. Sara und Brielle wurden angeklagt, Emma mit ihrem Mobbing in den Tod getrieben zu haben. Die Verhandlung ist nicht mehr lang hin, doch für Sara ist das Leben ziemlich gelaufen. Man schneidet sie, verachtet sie und sie pendelt zwischen Anwaltsbüro und der Praxis ihrer Therapeutin.
Zunächst muss ich sagen, dass ich völlig richtig finde, dass mit Sara und Brielle dermaßen hart ins Gericht gegangen wird. Mobbing ist grausam und verdient entsprechend harte Strafen. Gearde heute kann ich mir gut vorstellen, dass es bei den Kids oft eine gefährliche Gratwanderung ist zwischen Streichen und Mobbing, die nur allzu leicht in die falsche Richtung kippt. Da ist es gut, wenn jugendlichen Lesern aufgezeigt wird, was ihnen blühen kann. Das wird hier schön anschaulich, intensiv und bedrohlich beschrieben, sodass eine sehr gedrückte Stimmung über dem Geschehen liegt. So wirkt es bei den meisten jungen Lesern hoffentlich vorbeugend.
Entsetzt hat es mich, dass Sara sehr lange nicht mal im Ansatz Reue für ihr Tun empfindet. Ich finde, spätestens wenn einem eine Haftstrafe droht, ist es an der Zeit zu bereuen. Natürlich konnte ich weiterhin verstehen, dass sie es Emma übelnimmt, dass sie ihr den Freund ausgespannt hat, aber selbst das rechtfertigt solche Taten keineswegs. Auch wenn man erst 16 Jahre alt ist, müsste der Verstand doch so weit reichen um das wenigstens im Nachhinein zu erkennen.
Diesen zweiten Teil fand ich eine Spur spannender als den ersten, weil man hier nicht weiß, worauf es hinauslaufen wird. Als die Gerichtsverhandlung immer näher rückte, konnte ich das Buch dann nicht mehr aus der Hand legen. Ich wollte unbedingt wissen, wozu vor allem Sara verurteilt wird. So ganz glücklich bin ich mit dem Urteil zwar nicht -was die Strafe für Mobbing angeht bin ich einfach radikal eingestellt- aber immerhin scheint es Sara endlich aufzurütteln.

Da die Geschichte aus Saras Sicht erzählt wird, ist der Ton jugendlich gehalten. Das liest sich zwar leicht, aber man sollte sich davon nicht täuschen lassen. Die Schrift ist ziemlich klein und so ist es -lockerer Ton hin oder her- massig Text. Ich habe mehr Abende dafür gebraucht als für andere Bücher dieser Dicke. Der jugendliche Erzählstil bringt allerdings auch solche Begriffe wie “Schnalle”, “Schlampe”, “Hure”, “Alte” usw mit sich.  Das mag auf den Schulhöfen heute üblich sein, auf mich wirkt das einfach nur assig (um in diesem Slang zu bleiben), und so etwas lese ich nicht gerne. Schon lange nicht in dieser Masse und in Gesprächen unter Freundinnen (?!?)

Das Cover gibt über die Geschichte nichts preis. So schwarz wird es dem Schrecken darin aber auf jeden Fall gerecht. Die leuchtend pinkfarben Schrift bildet dazu einen tollen Kontrast, der das Buch zu einem Blickfang macht.

Fazit: Ich fand die Geschichte so “halb gut”. Im Teil vor Emmas Tod fehlte es mir an Spannung. Außerdem wirkten Saras und Brielles Taten auf mich nicht so dramatisch, wie sie sicher gewirkt hätten, wenn man in Emmas Gefühlsleben hätte hineinschauen können. Der Teil nach Emma Tod hat mir eine ganze Ecke besser gefallen, zumal Mobbing hier -in meinen Augen- angemessen geahndet wird. Ich hoffe, es wirkt abschreckend genug. Zudem fand ich es spannend zu verfolgen, was Sara in dieser Zeit erlebt. Weil ich unbedingt wissen wollte, wie der Prozess ausgeht, konnte ich das Buch dann schließlich gar nicht mehr aus der Hand legen.