Rezension

Hart, aber extrem spannend

Der Näher - Rainer Löffler

Der Näher
von Rainer Löffler

Bewertet mit 5 Sternen

Martin Abel, Fallanalytiker des LKA in Stuttgart, langweilt sich, denn nach einem sehr schweren Fall wurde er von seinem Chef, der gleichzeitig der Vater seiner Lebensgefährtin Hanna ist, dazu verdonnert, erst einmal über seinen Beruf zu dozieren. Als dann aber in Gummersbach zwei junge Frauen spurlos verschwinden, wird er zur dortigen Polizei beordert. Doch die Kollegen vor Ort sind gar nicht so begeistert von Abel und begegnen ihm erst einmal mit Misstrauen. Warum ist er hier? Der Fall war doch schließlich klar, denn die beiden Frauen haben Abschiedsbriefe geschrieben. Doch Abel ahnt, dass da viel mehr dahinter steckt. Als dann per Zufall in einem unterirdischen Raum die Leiche einer Frau und deren neugeborenes Baby entdeckt werden, beginnt ein rasanter Fall. Abel spürt, dass da noch viel mehr im Verborgenen liegt, doch das, was dann wirklich zum Vorschein kommt, ist mehr als entsetzlich.
Meine Meinung:
Mit der Näher erschien bereits der dritte Fall für den Fallanalytiker Martin Abel und dieser hat es so richtig in sich. Gleich beim Einstieg wird klar, dass man hier sehr viel Spannung erwarten kann, doch wie sehr, habe ich nicht geahnt. Bereits im Vorfeld habe ich einiges über das Buch gehört und dementsprechend neugierig war ich und auch wenn es wirklich ein sehr hartes Thema ist, so hat mich dieses Buch absolut fesseln können.
Rainer Löffler beginnt sein Buch gleich spannend, nur um kurz darauf das Tempo ein wenig zu zügeln und so macht er auch auf den ersten ca. 100 Seiten weiter. Mal gibt es Szenen, die den Leser die Luft anhalten lassen, dann hat man wieder Gelegenheit etwas über Abel und seine derzeitige Situation, sowohl privat als auch beruflich, zu erfahren. Doch dann beginnt der Fall richtig in Schwung zu kommen und das Tempo steigert sich kontinuierlich. Ich konnte dieses Buch kaum zur Seite legen und war gefesselt zwischen Faszination und Ekel, zwischen Entsetzen über die Grausamkeiten und Mitleid mit den Opfern. Gerade als Mutter kann man sich hier extrem gut in die Opfer einfühlen und es schmerzte fast schon körperlich, wenn man erfuhr, was mit den Frauen geschehen ist. Diese Umsetzung ist dem Autor extrem gut gelungen und auch der Schreibstil tat hier sein übriges, denn es ist sehr flüssig, klar verständlich und schnörkellos geschrieben und man hatte das Gefühl, einem Thriller per Kopfkino verfolgen zu können.
Richtig gut gefallen haben mir die vielen Perspektivenwechsel zwischen einzelnen Charakteren. Während der Autor hier die Erzählform eines personellen Erzählers in der dritten Person, der auch ein wenig auktoriale Funktion hat, wählt, hat man als Leser intensive Einsichten auf unterschiedlichste Ereignisse. So begleitet man eine Joggerin, die von einem Radfahrer verfolgt wird und kann vor lauter mitfiebern kaum still sitzen bleiben, man verfolgt Abel bei seinen Ermittlungen, sieht manches aus Sicht des Opfers, manches aus Sicht des Täters. Zu guter Letzt läßt Löffler auch zu, dass man Einblick in die Vergangenheit des Täters erhält. All das wirkt unglaublich mitreißend und spannend und da sich diese Szenen permanent abwechseln, hat man auch immer wieder die berühmten Cliffhanger am Ende eines Kapitels.
Wer hier wirklich der Täter ist, konnte mich wirklich verblüffen. Erst als die Wahrheit aufs Tapet kam, fiel es auch mir auf.  Das ist für mich immer ein Highlight an einem Thriller, wenn ich einfach nicht genau weiß, wer oder was dahinter steckt.
Die Charaktere im Thriller sind vorstellbar und durchdacht. Abel ist mir sehr sympathisch und auf seine ganz besondere Art sehr genial. Ich mag ihn als Fallanalytiker sehr gerne, denn er wirkte weder überheblich noch auf sonst eine Art und Weise seltsam, auch sonst ist er nicht der stereotype Ermittler, den man glaubt, gleich vom ersten Augenblick an zu kennen. Schön ist die private Entwicklung, die man hier miterleben darf und auch Hanna, Abels Lebensgefährtin, ist eine angenehme Persönlichkeit. Richtig gut gefallen hat mir hier die "neue" Kollegin Doris Stange, die hier nicht nur von der optischen Beschreibung ein Unikum ist, sondern mich mit dem ein oder anderen Kommentar tatsächlich auch schmunzeln ließ.
Mein Fazit:
Alles in allem ein durchweg gelungener Thriller, der mir keine Wünsche offen ließ. Zwar ist dieses Buch auf keinen Fall etwas für schwache Nerven, aber trotzdem konnte es mich absolut überzeugen. Ich mag es sehr, wenn ein Fall bis zum Ende undurchschaubar bleibt und man einfach nur rätselt, wer der Täter ist. Das ist Rainer Löffler hier auf jeden Fall gelungen und wenn man dann noch im Nachwort liest, woher dieser Gedanke stammt, dann kann man nur sagen: wirklich gelungen und trotz allen Grauens auch noch irgendwo denkbar. Für Thrillerfans, die auf spannende Ermittlungen stehen, ist dieses Buch ein must read.