Rezension

Harter Tobak - nichts für Zartbesaitete

Das Mädchen mit dem Haifischherz - Jenni Fagan

Das Mädchen mit dem Haifischherz
von Jenni Fagan

Merke dir, Schätzchen, mit Assis lohnt es sich nicht zu reden, mit Assis sollte man sich gar nicht erst abgeben; alles, was in die gut und anständig ist, werden sie dir austreiben.

Klappentext:
Anais Hendricks ist fünfzehn und sitzt auf dem Rücksitz eines Polizeiautos. Ihre Schuluniform ist blutverschmiert, und am anderen Ende der Stadt liegt eine Polizistin im Koma. Doch Anais kann sich da an nichts erinnern. Jetzt ist sie auf dem Weg ins Panoptikum, eine Besserungsanstalt für schwer erziehbare Jugendliche, die für das Waisenkind am Ende einer langen Kette von Heimen und Pflegefamilien steht. Das Panoptikum, ein ehemaliges Gefängnis im Niemandsland der Provinz, scheint wie gemacht für Anais, die mittlerweile sowieso denkt, sie sei ein Experiment, das Objekt einer Reihe von Versuchen, die zeigen sollen, wann ein Mensch zerbricht. Während Anais mit ihrer schwierigen Vergangenheit ringt und sich mit Mut und Fantasie durch ein Fürsorgesystem boxt, das ihr einen Schlag nach dem anderen versetzt, findet sie in den anderen Jugendlichen des Panoptikums fast so etwas wie eine Familie. Eine Familie, die sich ihre eigenen Mythen und Legenden schafft und deren Bande stärker sind als das System, aus dem es scheinbar kein Entkommen gibt. Es sei denn, du hast ein Haifischherz und Freunde, die dir helfen, ihm zu folgen ...

Die Autorin:
Jenni Fagan wurde in Livingston, Schottland, geboren und studierte Creative Writing an der Greenwich University. Sie veröffentlichte bisher Gedichte und Kurzgeschichten, für die sie zahlreiche Preise und Stipendien bekam. Das Mädchen mit dem Haifischherz ist ihr erster Roman, der für verschiedene Preise, darunter den renommierten James Tait Black Memorial Prize, nominiert wurde und ihr einen Platz auf der legendären Granta Liste »20 under 40«, der zwanzig besten englischsprachigen Schriftsteller unter 40, einbrachte. Seit Herbst 2013 ist Jenni Fagan Writer in Residence an der Edinburgh University.

Meine Meinung:
Das Buch muss ich erst einmal verdauen.
Die 15-jährige Anais, die in Verdacht steht, den Police Constable Craig, eine weibliche Polizistin, ins Koma geprügelt zu haben, muss ins Panoptikum, eine Besserungsanstalt für Jugendliche, die schwer erziehbar sind. Ihre Kleidung ist blutbefleckt, und sie kann sich nicht erinnern, was geschehen ist.
Anais' Leben liest sich wie ein Alptraum: Ihre richtigen Eltern kennt sie nicht, sie wandert ziellos durch Heime und Pflegefamilien, zieht in ihrem kurzen Leben schon oft um. Anais macht schon in frühen Jahren Ärger. Sie trinkt bereits mit neun, später kommen Drogen hinzu, alles Mögliche probiert sie aus, hat wahllos Sex, fühlt sich wertlos und hat keine Perspektiven, gerät mit dem Gesetzt andauernd in Konflikt. Sie selbst sieht sich als Experiment und denkt, dass sie beobachtet wird.
Nun fragt man sich, wie man einem so jungen Mädchen begreiflich machen kann, dass es sein Leben nicht so sinnlos wegwerfen soll, auch wenn sie eine so schlimme Vergangenheit hat. Es gibt Menschen auf ihrem Weg, die ihr helfen wollen, aber die sieht sie einfach nicht. Alle wollen ihr Böses und verstehen sie nicht. Das ist ja oft bei solchen gebrochenen Charakteren der Fall.
Ich litt mit Anais mit, schüttelte aber auch oft den Kopf und fragte mich, warum sie so manches tat und sagte. Sie war mir aber auch in vielerlei Hinsicht sympathisch. Durch ihr hartes Leben war sie dennoch ein gefühlvoller Mensch, der sich einfach selbst sein Leben verbaute, weil sie eingeschärft bekommen hat, dass es sich nicht lohnt, zu kämpfen.

Die Bekannte ihrer ehemaligen Pflegemutter verstand ich absolut nicht, die ihr anbot, dass sie später einmal in einem BDSM-Studio arbeiten könne und ihr sogar Drogen mitgab. Aber das ist Anais' Welt, dort wurde sie hineingedrängt und da ist es schwer, wieder hinauszukommen.
Im Panoptikum sind die Betreuer und sogar die Leiterin ziemlich kumpelhaft drauf und leicht einzuwickeln. Warum der Wachturm von Nöten ist, erschließt sich mir nicht so ganz - denn es wird fleißig getrunken und Drogen werden konsumiert. Durchsuchungen gibt es nur selten.
Anais' Fantasie ist grenzenlos. Sie träumt von Paris, einem Hund und vielen anderen Dingen, um der Wirklichkeit zu entfliehen, sieht aber auch Dinge, die an ihrem Verstand zweifeln lassen - was Drogen so alles bewirken.

Der Roman geht nicht gerade zimperlich mit seinen Lesern um - die Sprache hat einen deutlichen Akzent, der grausam und ohne Schnörkel zur Sache kommt. Es gibt viel Gewalt, verbunden mit Vergewaltigung, Sodomie, Verrat, Sex, Prostitution und Gedanken, in denen Wörter vorkommen, die nicht jeder gern hört, geschweige denn ausspricht. Wer so etwas nicht lesen mag, der sei gewarnt.

Das Ende fand ich hingegen der realistischen Handlung etwas unglaubwürdig. Mir fehlten auch die Beantwortung einiger Fragen, die leider am Schluss nicht geklärt wurden - schade.

Das Cover möchte ich hervorheben - es ist sehr farbig gehalten mit den Pillen, dem Lippenstift, dem Eiffelturm und Anais, die blutverschmiert den Leser anschaut, aber in Wirklichkeit ist das Dasein von ihr tiefschwarz, so wie der Umschlag. Gelungen!

Trotzdem gebe ich dem Buch 3,5 Punkte für die Schonungslosigkeit, mit der die Autorin den Leser konfrontiert - aufgerundet auf 4 Sterne.

Ein Mädchen auf der Suche nach sich selbst und nach Liebe.