Rezension

Heiße Luft

Romeo oder Julia - Gerhard Falkner

Romeo oder Julia
von Gerhard Falkner

Bewertet mit 3 Sternen

Gerhard Falkner wurden in einem Hotelzimmer in Innsbruck seine Schlüssel und persönliche Unterlagen entwendet. Wirkliche Wertgegenstände wurden nicht gestohlen und natürlich fragt man sich, was soll das? Mysteriös! Aus dieser Episode seines Lebens spinnt er eine Geschichte. Was könnte hinter so einem Diebstahl stecken? Eine wirklich spannende Idee.

Man begleitet den Autor Kurt Prinzhorn auf seiner Lesereise von Innsbruck über Moskau nach Madrid, wo ihm überall Seltsames widerfährt. Verstörende Kleinigkeiten. Nichts wahrhaft Kriminelles, aber unerklärliche Einbrüche in seine Privatsphäre. Wird er verfolgt? Gestalkt? Wer tut sowas und warum?

Eigentlich ist das eine spannende, mysteriöse Geschichte, nur muss man sie sich hart erkämpfen. 
Hier kann jemand schreiben und erzählt gerne, eloquent, mit Humor, originell, ausgefeilt und unfassbar weitschweifig. Er ergötzt sich an allem, am Ambiente, den Figuren, deren Kleidung, Anekdoten zu deren Vergangenheit, egal ob es für die Handlung von Belang ist oder nicht, Episoden aus Kurts Leben und sogar die Hunde vor dem Moskauer Hotel finden ausführlich Beachtung. 

„Es handelte sich um den osteuropäischen Autor Anton Jurcic, der mit dem forcierten Charme seiner jungen und jugendlichen Erscheinung insbesondere die gefühlshungrigen Deutschen, und da wiederum besonders die von erotisch-kulturellen Sehnsüchten bewegten Frauen mittlerer Reife, um den Finger wickelte."

Natürlich ist so eine Erzählweise kunstvoll und sehr witzig, aber auf Dauer fand ich es doch eher ermüdend. Bisweilen schwimmt man durch so großangelegte Schlenker, dass man fast die eigentliche Handlung aus den Augen verliert. Zwischendrin wird es auch gerne mal absurd. Fast könnte man meinen, hier erzählt jemand nur um des Erzählens willen, das allerdings gekonnt, keine Frage.

Die Auflösung der Geheimnisse ist dann vergleichsweise enttäuschend, immerhin gibt es eine. Sie kommt aus dem Nichts und dreht sich um eine lang vergessene Episode aus Kurts Leben. Da fragt man sich dann schon, warum wir uns ausführlichst mit Gott und der Welt beschäftigt haben, der Dreh- und Angelpunkt der Geschichte aber dann mal eben angehängt wird. War das ganze Buch bis dahin nur heiße Luft? Ein Ablenkungsmanöver? Ich hätte mir in diesem Punkt eine deutliche Verschiebung des Schwerpunkts gewünscht. Daraus hätte man mehr machen müssen.

„Romeo oder Julia“ ist ein Buch, an dem man sich ergötzen kann. Man muss aber Ausdauer und große Liebe zur reinen Fabulierkunst mitbringen, um es wirklich zu schätzen.

Kommentare

wandagreen kommentierte am 10. September 2017 um 14:41

Oh je, oh je, oh großer Jammer! "Unfassbar weitschweifig." Und dann noch eine Auflösung, die aus dem Nichts kommt. Man hätte wirklich das Okapibuch auf die Liste setzen müssen, bisher sind da erst zwei Bücher drauf auf der Buchpreislonglist, denen ich etwas abgewinnen kann. Soll ich es überhaupt lesen? Mit Weitschweifigkeit hat mich schon Herr Bonné gequält. Sollte Archer recht haben und man sucht die Romane danach aus, wer am meisten langweilt? ;-)). Und die Leser merken es nicht! Haha, was Spaß!!!

Sursulapitschi kommentierte am 10. September 2017 um 14:45

Tja, ich weiß nicht, wem sowas gefällt. Es muss sie geben, diese Menschen.

Lies das erste Kapitel, dann weißt du, was ich meine. Wenn dir das gefällt, lies weiter und sag mir, warum es dir gefällt. :DD

wandagreen kommentierte am 10. September 2017 um 14:56

Die Warumfrage werde ich im Auge behalten. Das ist ne Challenge!

LySch kommentierte am 10. September 2017 um 16:37

Oh maaaan, wenn man sich so anschaut, welche Longlist-Bücher euch beide bis jetzt begeistert haben, fällt die Bilanz bisher seeehr negativ aus für die Longlist! ^^

Das Okapi-Buch ist einfach der Sieger der Herzen <3 Und nicht des blöden, langweiligen Möchtegern-Intellekts dieser seltsamen Liste! :D *schmacht*

Sursulapitschi kommentierte am 10. September 2017 um 17:23

Ah, du schmachtest schon. Das ist schön! :-)