Rezension

Helden leben lange, Legenden sterben nie

Die Legende der böhsen onkelz - Conrad Lerchenfeldt

Die Legende der böhsen onkelz
von Conrad Lerchenfeldt

Bewertet mit 5 Sternen

Da die Onkelz in meiner Jugend und im frühen Erwachsenenalter einen wichtigen Platz in meinem Leben einnahmen und ich auch heute noch viele Stücke und Alben sehr gerne höre, war ich auf dieses Buch schon sehr gespannt. Ich habe die einmalige Atmosphäre auf den Konzerten selber miterleben dürfen – genauso wie Anfeindungen von fremden Menschen, weil man ein Onkelz-Shirt getragen hat und somit ja schon als Rechter abgestempelt war. Durch diese Erfahrungen hat man natürlich auch einen eigenen Blickwinkel und eine eigene Perspektive auf die Band, die in Deutschland wohl die meisten Kontroversen und Emotionen freigesetzt hat.

Da das Verhältnis der Onkelz zu den Medien, nennen wir es mal vorsichtig, doch immer sehr gespannt war, war ich natürlich neugierig, wie der Autor Conrad Lerchenfeldt mit der Thematik umgeht, Und siehe da, es ist möglich! Eine faire, sachliche und unvoreingenommene Auseinandersetzung mit der Geschichte der Boehsen Onkelz!
Der Autor schildert in seinem Buch die Gründung der Band im Hösbacher Keller, das erste Konzert am 20.02.81 und den anfänglichen Werdegang in den Wirren und Dynamiken der Punk- und Skinszene der frühen 1980er Jahre. Lerchenfeldt zeichnet die Geschichte der Band sehr gut nach, die Entwicklungen bis zum Lausitzring 2005 bis hin zum Comeback des Jahres 2014 - und die endlosen Kontroversen und Unterstellungen von Seiten der Medien und Teilen der Gesellschaft. Auch die extrem enge Bindung der Fans zu der Band sind Gegenstand dieses Buches - genauso wie die extremen Drogen- und Alkoholexezesse von Kevin Russell.

Lerchenfeldt spricht die auch völlig zu Recht kritisierten und fragwürdigen Texte und Aussagen der frühen Phase der Band sowie persönliche Verfehlungen und Fehler einzelner Bandmitglieder offen und klar an, was auch sein gutes Recht, aber er billigt ihnen auch das Recht auf Fehler und eine persönliche Entwicklung zu, die jeder, der neutral an die Sache herangeht, wohl auch offen anerkennen muss.
Das jahrelange Engagement der Band gegen Rechtsextremismus und für soziale Projekte sprechen hier eine eindeutige und klare Sprache. Lerchenfeld hinterfragt somit alle kritischen und kontroversen Punkte der Band-Geschichte, vermag aber auch zu differenzieren und kommt zu ausgewogenen und fairen Schlüssen.
Das Buch bietet somit einen kompakten und gut recherchierten Überblick zur bewegten Geschichte der Onkelz und dem Autor gelingt es, eine faire und sachliche Distanz zu wahren, was schon Anerkennung verdient - gerade weil dies bei diesem Thema noch nicht vielen Vertretern der schreibenden Zunft gelungen ist.

Langjährige Onkelz-Fans und Kenner der Band-Geschichte werden in diesem Buch keine großen Neuigkeiten erfahren, den Werdegang der Onkelz aber in kompakter und gut lesbarer Form zusammengefasst vorfinden, zumal der Autor in seien Schreibstil einen gewissen Humor einfließen lässt, der sehr angenehm und wohltuend zu lesen ist – im Vergleich zu vielen wutentbrannten und engstirnigen Artikel der vergangenen Jahre und Jahrzehnte. Wer sich erstmals mit dem Thema beschäftigen will, findet mit diesem Buch eine gut recherchierte und sachliche Informationsquelle – ohne die üblichen Vorurteile und ohne Schaum vor dem Mund. Ja, die Onkelz haben Fehler gemacht. Sie haben fragwürdige Texte geschrieben und Aussagen getätigt. Aber sie haben sich persönlich, textlich-inhaltlich und musikalisch stark weiterentwickelt und jeder der versucht, dies abzustreiten, kennt entweder die Fakten nicht, oder ignoriert sie vorsätzlich.

Bei aller berechtigten Kritik an bestimmten Texten, Aussagen und Handlungen der Vergangenheit, ein fairer und unvoreingenommener Umgang, der auch bei anderen Themen zu Recht gefordert wird, sollte auch bei diesem Thema selbstverständlich sein: "Die Legende der Böhsen Onkelz ist ein Phänomen - und ein Lehrbeispiel. Vor allem ein Lehrbeispiel dafür, wie Menschen sich entwickeln können und wie sehr andere ihnen das Dazulernen verweigern." (S. 201)

Lediglich der Vergleich zu Frei.Wild hätte man sich hier, auf den letzten Seiten, sparen können.

Der Autor jedoch hat sich dem Thema offen und unbelastet genähert und deshalb vergebe ich fünf Sterne!