Rezension

Herrenhausroman in good old England.

Ein letzter Tanz - Judith Lennox

Ein letzter Tanz
von Judith Lennox

Bewertet mit 4 Sternen

Wenn ich durch meine Stadt schlendere, die durchaus da und dort dörflichen Charakters ist, bleibe ich oft stehen. Nicht weil ich ausser Puste wäre, sondern, weil es hier Villen gibt, eine schöner als die andere und dabei ziemlich alte Bausubstanz, ein Architekt hätte helle Freude daran, aber auch ich betrachte diese Häuser gerne. Wer mag darin wohnen, was hat dieses Haus für eine Geschichte, was kann es erzählen?

Rosindell, das Anwesen der Familie Reddaway, ist eines der Häuser mit Geschichte, ein Herrenhaus, das man gerne anschaut, das ein bisschen versteckt in der Nähe von Devon im Südwesten Englands liegt, nicht weit entfernt von der hauseigenen Badebucht, seinerzeit, als die Romangeschichte spielt, selbstverständlich romantisch verfallen. Ein bisschen spuken tuts auch. Der männliche Alleinerbe Devlin will es unter Aufbietung seiner Lebenskraft wieder aufbauen und zu einem Heim für Camilla machen, eine der Langdonschwestern. Aber dann heiratet er Esme, die andere Schwester. Wie es so ist bei Pilcher und Co, und bei Lennox und bei Herrenhausgeschichten.

Ich schmunzle vor mich hin bei der Lektüre. Der schöne, untadelige, mutige junge Herr, der gerade aus dem Gemetzel des Ersten Weltkriegs zurückkehrt und sich verbittert verbarrikadiert, die sprödere Herrin Esme, die in unsterblicher Liebe den Helden aus der Verbitterung zieht, das blonde Biest ist auch nie weit und der lästige Rest der Familie wuselt auch  herum.

Da kommt plötzlich Bewegung in die heile Welt. Oha, denke ich, wer wird mich reißen aus dem angenehmen Fluss des nichtssagenden Kaffeeromans? Und mich etwa des sicher geglaubten Happyends berauben, wollen wir uns denn zum Fünfuhrtee wirklich der harten Realität geplatzter Träume und Scheidungskindern stellen? Indeed. Der Roman lebt auf, durchläuft eine für „Pilcherromane“- Pilcher ist eine Marke, genau wie Tempo - unangemessene Entwicklung und erst gegen Ende neigt er sich wieder klischeehafteren Wendungen zu. Gott sei Dank, denn sonst hätte er sich aus seiner Kategorie leichte Unterhaltung gar noch in die Kategorie Gute Unterhaltung geschmuggelt.

Fazit: Ein Herrenhausroman erster Güte, mit einem Mittelteil, das fast das Genre leichte Unterhaltung sprengt, bevor der Fluss sich wieder in sein gemächliches Klischeebett legt. Für Pralinen und Tee ein unerlässlicher Roman, der zudem in guter Sprache daherkommt.

Kategorie: leichte Unterhaltung
Piper Verlag, 2014

Zu beachten:
Die Einteilung in eine Kategorie beeinhaltet schon eine Wertung an und für sich. So bedeutet eine Zwei-Punkte-Wertung in der Gattung gehobene Literatur z.B. ein gehaltvolleres Buch als eine 5-Punkte-Wertung in der Gattung Herz-Schmerz oder l(s)eichte Unterhaltung. Gehobene Unterhaltung ist fast schon Belletristik, gute Unterhaltung hat doch wenigstens einen gewissen Anspruch und alles, was darunter ist ....