Rezension

Herrlich ironischer Blick auf unser digitales Leben

Westermann und Fräulein Gabriele - Katharina Münk

Westermann und Fräulein Gabriele
von Katharina Münk

Bewertet mit 3.5 Sternen

Inhalt / Klappentext:

Ein Mann und seine Schreibmaschine

Richard Westermann, IT-Vorstand mit einer Schwäche für Friedhöfe, verguckt sich bei der Beisetzung des Schriftstellers Höfer in dessen Schreibmaschine. Kurz darauf zieht das Modell »Gabriele« ein in sein Leben. Als man Westermann dann einen jungen Kollegen als Vorstand »Data« vor die Nase setzt, holt er zum Gegenschlag aus und tauscht seinen Rechner gegen »Gabriele«. Sein betriebliches Umfeld hält das für ein geniales Ablenkungsmanöver von seinem eigentlichen Auftrag: der Entwicklung einer ausspähsicheren Krypto-Box. Im Nu stellen Westermann und »Gabriele« den Konzernalltag auf den Kopf. Während Westermann in die entschleunigte analoge Welt eintaucht, geht seine 80-jährige Mutter den umgekehrten Weg: online.

Meine Meinung:

Mit großem Vergnügen habe ich dieses sehr ironische Buch gelesen. Was nicht zuletzt daran liegt, dass ich selber viele Jahre in der IT-Branche gearbeitet habe, die hier ganz wunderbar aufs Korn genommen wird. Daher kann ich auch nur bestätigen, dass einiges, was hier so scheinbar maßlos übertrieben scheint, wirklich den Tatsachen entspricht, insbesondere die verwendete Firmenterminologie, die vielen englischen Fachbegriffe, die kaum ein Außenstehender versteht.

Dennoch ist die Story des Herrn Westermann, der den Bereich "Big Data" in der Firma leitet und plötzlich seine Leidenschaft für Schreibmaschinen entdeckt, was schließlich sogar dazu führt, dass die Firmenleitung dies zum neuen Trend "No Data" erklärt, maßlos überzogen. Man könnte dies zwar als total unrealistisch empfinden, aber gerade dieses "auf die Spitze treiben" führt uns deutlich den aktuellen Zeitgeist, um nicht zu sagen, den ganzen Wahnsinn des Digitalen Lebens und den verzweifelten Versuch der Herstellung von Datensicherheit vor Augen, führt ihn somit ad absurdum.

Beeindruckend fand ich, wie Westermann das Tippen mit der Schreibmaschine empfindet, wie ihm das langsamere Schreiben mehr zum Denken anregt und es zum kreativen, ja geradezu zum sinnlichen Erlebnis für ihn wird. In heutigen Zeiten muss alles nur noch schnell gehen, möglichst viel zu schaffen in kurzer Zeit ist angesagt. Die jüngere Generation kennt es ja gar nicht mehr anders, stellt diese Dinge auch nur selten in Frage (wenn überhaupt). Da ich noch die früheren Zeiten kenne, wo es noch keine E-Mails, sondern Schriftstücke gab, die getippt und mit der Hauspost verschickt wurden (was dann Tage dauerte!), sehe ich diese Entwicklungen noch mit anderen Augen und daher viel kritischer. Deshalb gefallen mir auch solche Sätze im Buch besonders gut wie "Manchmal wunderte er sich, dass sich die Menschen nicht mehr wunderten.".

Man kann in diesem Buch über die Ereignisse und die Marotten des Protagonisten Westermann schmunzeln. Manche Personen sind mir etwas arg überdreht, wie der Schriftstellersohn Höfer. Westermanns Mutter wird mir etwas zu klischeehaft dargestellt, als sie sich mit über 80 Jahren einen PC anschafft und noch das "Internetz" kennenlernen möchte. Witzig fand ich allerdings, als sie ihrem Router, der nicht so recht in Gang kommen will, eine Reiki-Behandlung verpaßt.

Die Story ist flott geschrieben und angenehm zu lesen, da sie keine unnötigen Längen hat. Für mich trifft dieses Buch wirklich sehr gut den "digitalen Zeitgeist" und es hält sowohl der IT-Branche als auch dem Leser sehr schön und augenzwinkernd den Spiegel vor.