Rezension

Herrlich Skurril

Der Pfau - Isabel Bogdan

Der Pfau
von Isabel Bogdan

Bewertet mit 5 Sternen

Schließlich kann nur Indira Bakshi das Rätsel um Tod und Verbleib des zerstörungswütigen Pfaus vollends lösen. Warum? Wer's britisch mag, muss das Buch unbedingt lesen, um dies herauszufinden.

Lord und Lady McIntosh leben in einem schottischen Tal auf einem Landsitz, zu dessen Finanzierung die beiden Akademiker die zugehörigen umliegenden Cottages und auch den Westflügel des Hauses an Gäste vermieten. Zur Familie McIntosh gehören neben der Raumkosmetikerin Aileen mit ihrem Hund Britney auch Gärtner und Faktotum Ryszard sowie eine Menge Tiere wie die Hunde Albert und Victoria, eine herrische Gans und eine Gruppe Pfauen, die zwar hübsch anzusehen aber leider recht egozentrisch sind. Besonders einer der Pfauen entwickelte während der Balzzeit eine zerstörerische Abneigung gegen die Farbe Blau und attackiert seither jeglichen Gegenstand, der sich mit dieser Farbe schmückt. Damit bringt er einen Reigen skurriler, urkomischer, verschrobener aber auch verbindender Ereignissen ins Rollen – selbst noch nach seinem Ableben. Während sich die McIntoshs bei ihren Feriengästen Bakshi für den vom renitenten Pfau zerbeulten und zerkratzten blauen Wagen mit einem Essen entschuldigen und ihre Versicherung bemühen, halten sie sich beim wiederholten Vergehen am sportlichen Wagen der Chefin der Investmentabteilung einer Londoner Bank, die mit ihren vier Mitarbeitern zum Teambuilding angereist ist und den Westflügel bewohnt, vornehm zurück, da ihnen die Dame wenig sympathisch ist. Auch wenn sie Frauchen des Hundes Mervyn ist und die Jagd auf dem Land schätzt – Ziege bleib Ziege, right?
Nachdem also die Banker Jim, Andrew, David und Bernard sowie die junge Psychologin und Moderatorin des Teambuildings, Rachel, Köchin Helen und Chefin Liz in den Westflügel eingezogen sind – zwar angetan von der Idylle in der sie gelandet sind, jedoch wenig begeistert vom fehlenden Komfort und nicht vorhandener Einzel- geschweige denn Badezimmer in ihrer Unterkunft – geht es erst richtig los. Rachel schwankt zwischen der hohen Motivation, endlich einmal ein Teambuilding-Seminar selbständig leiten zu dürfen und der Verärgerung über ihren Chef, gerade diese seltsame Gruppe inklusive Führungskraft, die bei einer solchen Aktion ja nun wie die Lehre sagt rein gar nichts verloren hat wenn die Maßnahme erfolgreich sein soll. Liz, sauberen und nicht schweißtreibenden Aktivitäten in der Natur durchaus nicht abgeneigt, ist genervt vom vielen Geflügel und seinen Hinterlassenschaften auf dem Landsitz, verärgert, dass ihr alter Freund ihr eine junge, unerfahrene Psychologin geschickt hat anstelle das Seminar selbst zu leiten und nicht angetan davon, dass ihre Mitarbeiter so wenig locker da im Business-Dress angereist sind – obgleich sie selbst nicht auf ihre Designer-Kleidung verzichtet, sich aber Wanderschuhe angeschafft hat. Allein die resolute Köchin Helen, die ihren Beruf voller Leidenschaft ausübt und mit ihren Mahlzeiten zeigt, dass sie eine wahre Künstlerin ist, und der älteste der Banker, Jim, der sogar seine Gitarre mitgebracht hat und sehr gut singen kann, versprühen Fröhlichkeit. Nach und nach menschelt es in der Gruppe – Auslöser ist wiederum der verrückte Pfau, der im Laufe der Geschichte eine wahre Metamorphose durchmachen wird. Während Lord und Lady McIntosh übereinkommen, dass der Pfau sein Leben lassen muss um nicht noch mehr Gäste zu belästigen bzw. weiter die Versicherung ihrer Lordschaft zu belasten, der Lord ihn also mit der Schrotflinte im Wald niederstreckt, gerät Hund Mervyn in Verdacht, der den im Wald abgelegten Pfau findet und freudig seinem Frauchen bringt. Diese und ihre Kollegen sind entsetzt, halten den armen Mervyn für einen Mörder und fortan an der Leine. Ausgerechnet den schüchternen David verdonnert Liz dazu, den Fasan zu beerdigen, um den McIntoshs den Verlust ihres Pfaus nicht beichten zu müssen. Köchin Helen bemerkt Davids Verzweiflung ob des Auftrags und als der Vogel gefunden, beschließt sie kurzerhand, daraus ein Mahl zuzubereiten. Sie macht David zum Komplizen, indem sie ihm vorschwärmt, um welche Köstlichkeit es sich bei einem Pfauengericht handelt – und dass man der Gruppe ja erzählen könne, es handele sich um Fasan. (Bei einer nicht ganz so geglückten Team-Maßnahme im Wald entdeckt Jim das vom Lord versteckte Schrotgewähr, hält es aber für ein von Rachel verstecktes Übungs-Accessoire. Er beschließt, sich aber nicht als Finder zu outen und verfolgt weiter seine Aufgabe bei der Übung.) Je dichter und verwobener die Geschichte um den verschwundenen Pfau wird – denn Keiner oder Keine, keine verschworene Zweiergemeinschaft, die auch nur ein Bröckchen Information hat, gibt sie weiter um den armen Mervyn zu entlasten -, umso mehr menschliche Züge werden offenbart und Erklärungen für Ereignisse gefunden. Die Banker zeigen ihre kreativen Talente, legen nach und nach ihre Geschäftskleidung ab, blühen auf, als Liz durch eine Grippe ans Bett gefesselt wird und Rachel mit ihnen alleine arbeiten kann, helfen sich gegenseitig, eine kleine Gruppe findet sich sogar im Hot Tub ein und genießt Nähe und Gesellschaft, auch als die Arbeits- und Wochenendgemeinschaft eingeschneit ist und das Tal nicht wie geplant verlassen kann. Man erfährt mehr und mehr aus dem Privatleben der Gruppenmitglieder, was der Einzelne vor den Anderen verbirgt und was einer über den anderen weiß. Doch nach wie vor sprechen sie außerhalb der beruflichen Ebene nicht wirklich miteinander. Denn sonst hätten alle gemeinsam ganz einfach zusammentragen können, auf welche Weise der Pfau sein Leben verlor. Stattdessen verspeisen die Banker, Rachel, Helen und die McIntoshs sozusagen als Abschiedsessen Helens „Gänsecurry“, bevor sich ihre Wege wieder trennen und jeder für sich dem köstlichen aber doch auch irgendwie seltsamen Mahl nachhängt.
Wunderbar kurzweilig und humorig geschrieben, sehr britisch formuliert aufgrund der durchaus auch einmal ungewöhnlichen Wortwahl, die das Britisch-Steife, wörtlich Zurück-Haltende sehr gut transportiert und damit zusätzlich das Skurrile der Geschichte unterstreicht. Die Charaktere, schrullig, liebenswürdig, verschlossen und jeder für sich nur allzu menschlich, werden liebevoll gezeichnet und nach und nach immer stärker beleuchtet, wenn auch jedem ein Rest an Geheimnis bzw. Privatsphäre bleibt, um ihre bzw. seine Rolle zu wahren. Umso besser, die eigene Phantasie zu bemühen. Auch die Tiere haben ihren eigenen Charakter, kommen zu Wort bzw. ihre Gedanken werden dargelegt. So darf Albert nach dem Tod seiner treuen Gefährtin Victoria trauern – andersherum wie beim britischen Königspaar - und Mervyn muss es ein Rätsel bleiben, warum um seinen Fund so ein Aufhebens gemacht und er fortan seiner Bewegungsfreiheit beraubt wird. Ganz zu schweigen von vielen weiteren herrlichen Details, deren Entdeckung an dieser Stelle den Leserinnen und Lesern überlassen werden soll. In meiner Begeisterung habe ich fürchte ich nämlich bereits zu viel verraten.
Der hübsch gestaltete Bucheinband aus gemasertem, sich gut anfassendem Papier mit dem in rot und blau metallisch glänzenden, sich vom Papier abhebenden Pfau, in dessen Schwanzfedern eingearbeitet sich britische Symbole wie eine Flinte für die Jagd – in diesem Fall auch das Verhängnis des Pfaus -, eine Tasse Tee und ein Regenschirm wiederfinden, verleihen der Ausgabe eine edle Note.
 

Kommentare

Wedma kommentierte am 15. Januar 2016 um 08:22

Der Pfau ist schon eine große Klasse. Hat mir auch sehr gut gefallen.