Rezension

Herrlich witzig, stark und einfühlsam ...

Die Königinnen der Würstchen - Clémentine Beauvais

Die Königinnen der Würstchen
von Clémentine Beauvais

Bewertet mit 5 Sternen

Wie kann das sein! Mireille ist nach zwei Jahren Gold, nur noch die Bronze Wurst des Jahres, gespielt entrüstet, schaut sie sich die Gewinnerin an und das kann sie auch gleich im Realen. Astrid nämlich, die neue goldene Wurst, besucht Mireille, um sie zu fragen, wie sie damit umgeht. Mit diesem Titel und der Gemeinheit, die sich die Mitschüler herausnehmen, das hässlichste Mädchen des Jahres zu wählen. Zusammen entschließen sie, auch die Zweitplatzierte zu besuchen, damit sie mit der Schmach nicht allein ist. Doch dort platzen sie in eine traurige Geburtstagsfeier hinein und alles hat mit der großen Party im Elysée-Palast zu tun. Jede der Drei hat nämlich einen Grund dort aufzutauchen und so entspinnen sie einen Plan, zu einem Road-Trip mit Gartenpartycrash. Und um ihren Titel alle Ehre zu machen, finanzieren sie diesen mit dem Verkauf von Würstchen. Werden sie den Weg nach Paris schaffen? Warum wollen sie unbedingt auf diese Party? Und was wird diese Reise mit ihnen machen?

Ich muss gestehen, dass ich den Titel erst gar nicht ansprechend fand. Die Königinnen der Würstchen, was soll das denn! Wer möchte schon eine Wurst sein? Oder ist das ein Buch über drei Metzgertöchter? Irgendwie befremdlich und doch wurde es mir so sehr ans Herz gelegt, das ich es mir näher anschaute und dachte, ja, das mag ich doch lesen. Und soll ich euch was sagen, dieses Buch hat mein Herz überflutet und so möchte ich es auch jeden einfach nur empfehlen. Warum? Versuche ich euch jetzt in Worte zu fassen.

Die Geschichte wird aus Mireilles Sicht erzählt und sie ist absolut Bombe. Ein Mädchen, was schon immer am Rand der Außenseiter stand. Ein Kind von einer Affäre, der Vater kümmert sich nicht, ihre Mutter hat sich direkt in eine neue Ehe gestürzt und Mireille versucht irgendwie ihren Platz zu finden, ihre Identität. Das ist natürlich umso schwerer, wenn man von allen gegängelt, ausgelacht und gequält wird. Um das an sich abprallen zu lassen, hat sie sich einen zynischen, sarkastischen, ironischen Humor, als Schutzschild zugelegt und hält alle mit ihrer Schlagfertigkeit von sich ab. Das heißt aber nicht, das diese Bösartigkeiten an ihr abprallen und sie nicht verletzten, das tun sie nämlich doch, aber das zeigt sie selten und erzählt nur uns Lesern, in stillen Momenten davon. Für andere ist sie ein Felsen und zeigt eine Stärke, die ich damals nie entwickelt hätte. Mir war sie sofort sympathisch und ich muss ihr totalen Respekt zollen, ein tolles Mädchen und mit jeder Seite, wächst sie einen mehr ans Herz.

Aber auch die beiden anderen Würste sind sehr einnehmend, da haben wir Astrid, sie ist erst dazu gezogen und lebt mit ihrer Mutter im Ort, da ihr Vater das Weite gesucht hat. Sie liebt Computerspiele und am Liebsten welche mit Management und sie hat eine große Schwäche für die Band Indochine. Ihre Waffe gegen Einsamkeit. Die Jüngste im Bunde ist Hakima, mit ihren zwölf Jahren, ist diese Reise für sie die größte Herausforderung. In ihrer Familie herrscht ein ganz anderes Problem, denn ihr Bruder ist Soldat, und ist aus einer Mission, mit starken Verletzungen, nach Hause zurückgekehrt. Somit ist die Stimmung alles andere als erbaulich und die Wurstwahl für Hakima wird zur Nebensache.

Diese drei Mädels finden auf ungewöhnliche Weise zusammen, aber was sie daraus machen, zeigt etwas von Größe, wo sich jeder eine Scheibe von Abschneiden könnte. Auf ihren Weg wird nämlich schnell klar, dass das liebe Internet so eine eigene Welt ist, nämlich die des schnellen bösen Wortes. Dort hängt man sich schnell an Bösartigkeit und merkt nicht, wie schnell man einen Menschen verletzen kann. In der Realität sieht das nämlich anders aus, die Leute finden nämlich unsere drei Würstchen gar nicht hässlich und diese Gegensätzigkeit arbeitet die Autorin unheimlich gut ein. Man kann sich einfach in diese drei Köpfe rein fühlen und erkennt, in jeder, etwas von sich selbst wieder. Als Teenager hadert man doch gern mit sich, findet dies und das grässlich an sich selbst, und wenn noch eine Horde Halbwüchsiger unreifer Bübchen darauf zeigt, möchte man in Boden versinken. Diese Geschichte macht aber einfach Mut, ist ehrlich und beflügelt einem Selbst beim Lesen. Warum nur gab es solch ein Buch nicht zu meiner Schulzeit und solch eine Mireille, hätte ich gern als Freundin gehabt.

Clémentine Beauvais hat ein unglaubliches Fingerspitzengefühl und einen unbestechlich guten Humor, um solch eine Geschichte zu schreiben und solch schwierige Themen aufzugreifen. Man geht voll rein, radelt mit und steht am Ende im Garten und denkt sich, nun mach schon, und wird überrascht. Unsere drei Mädels machen nämlich eine unglaubliche Entwicklung mit und werden erwachsen. Aber mehr verrate ich nicht, denn dieses Buch hat noch so viel mehr zu bieten und ich will einfach nicht mehr verraten. Aber ihr müsst es lesen, unbedingt. BITTE!!! IHR MÜSST ES LESEN!

Die Königinnen der Würstchen ist mehr als ein Kampf gegen die Unverschämtheit des Internets. Nämlich eine Reise zu wahrer Größe und diese kann ganz klein anfangen. Herrlich chaotisch, spritzig, herzerwärmend, mitreißend, frech und einfühlsam.