Rezension

Herzergreifend wunderbar

Ein Mann namens Ove - Fredrik Backman

Ein Mann namens Ove
von Fredrik Backman

Jeder von uns kennt Menschen wie Ove, sogenannte Nachbarn aus der Hölle. Nachbarn, die jeden Tag durchs Viertel gehen und prüfen, dass auch alles in Ordnung ist, dass keiner falsch parkt und dass niemand seinen Müll irgendwo liegen lässt. Nachbarn die mit dem Finger auf Leute zeigen, die sie nicht mögen, die missmutig und mürrisch sind und scheinbar nicht viel für ihre Umwelt übrig haben.

Genau so ein Nachbar ist Ove. Ove ist 59 Jahre alt, fährt Saab und hat es sich zur Aufgabe gemacht, in seinem Viertel für Ordnung zu sorgen. Eigenbrötlerisch lebt er in seinem Haus, macht jeden Morgen seine Kontrollgänge und schreibt Falschparker sowie Ordnungswidrigkeiten akribisch auf. Was soll er sonst auch machen? Schließlich ist seine geliebte Frau Sonja tot und er selbst frühzeitig in Pension geschickt worden. So scheint es zumindest auf den ersten Blick zu sein.

Eines Tages zieht eine neue Familie ins Nachbarhaus: Eine hochschwangere Frau samt Mann und zwei Töchtern. Parvaneh, die schwangere Frau beginnt von der ersten Minute an, sich liebevoll in Oves Leben zu drängen und dieses auch gehörig auf den Kopf zu stellen. Schon bald beginnt Oves harte Schale zu bröckeln und ein ganz weicher Kern mit einer rührenden Lebensgeschichte taucht auf.

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Ein Mann namens Ove ist ein Buch für den perfekten Abend auf dem Sofa, bei Kerzenschein und einer schönen Tasse Kakao mit Zimt. Ein perfektes Buch für graue Herbsttage, aber auch für die sonnig-goldenen. Eigentlich ist es ein Buch für jede Lebenslage.  Und dabei ist es etwas ganz besonderes, genau wie Ove selbst.

Begegnet und zunächst ein mürrischer und griesgrämischer Eigenbrötler, wird dieses Bild schnell revidiert, als man mehr aus Oves Leben erfährt. Frederik Backman beschreibt die Geschehnisse anhand zweier Handlungsstränge: einerseits erleben wir, wie es Ove in der Gegenwart ergeht und andererseits gibt der Autor ein feinfühliges und rührendes Bild von Oves Vergangenheit wieder.

Und die war nicht immer leicht. Ove verlor zeitig seine Mutter und wuchs mit dem Vater auf. Sie führten eine stille, aber harmonische Vater-Sohn-Beziehung aus der Ove viele Werte mitnehmen sollte, die sein Leben definierten. Dazu zählen Fleiß, Ehrlichkeit und Kollegialität. Ove arbeitete immer hart und fleißig, doch lebte er wirklich? Ja, nämlich als er seine Frau Sonja kennenlernte.

Ove war nie die Frage gestellt worden, wie er gelebt habe, bevor er sie traf. Aber hätte das jemand gefragt, wäre seine Antwort gewesen, dass er das gar nicht getan habe.

Und so erging es ihm auch nach dem Tod seiner Frau. Nun, als ihm scheinbar nichts mehr blieb, beginnt er Vorbereitungen für sein Sterben zu treffen. Denn als Sonja starb, war auch sein Leben vorüber.

Dann steht er da, mit den Händen in den Hosentaschen und sieht sie einfach nur an. Am Ende legt er seine Hand vorsichtig auf den großen Stein und streichelt vorsichtig von einer Seite zur anderen. Als ob er ihre Wange wäre. „Du fehlst mir“, flüstert er.

Doch dann zieht eine Familie ins Nachbarhaus: die hochschwangere Perserin Parvaneh samt ihres Mannes und ihrer zwei Töchter.  Und auf einmal wird alles anders. Unbewusst rüttelt Parvaneh Ove wach und stellt sein ganzes Leben auf den Kopf. Was habe ich beim Lesen gelacht, wenn sie ins Haus gestürmt kommt und Ove zwingt, Dinge zu tun, die er nie im Leben getan hätte. Wie sie über ihren tollpatschigen Mann – von Ove liebevoll „Der Volltrottel“ getauft – schimpft, wie sie Ove ins Leben zurückholt und zeigt, wer er wirklich ist, wie sie ihm das „Katzenvieh“ aufzwingt,… Denn wie einst Sonja, scheint nun Parvaneh zu erkennen, dass Ove mehr ist als Schwarz und Weiß.

Du tanzt in dir, Ove, wo es keiner sieht. Und dafür werde ich dich immer lieben. Ob du es willst oder nicht.
(Sonja zu Ove)

Es ist jedoch nicht nur Ove, der dem „Zauber“ Parvanehs verfällt. Vielmehr verwandelt sie das ganze Stadtviertel und füllt es mit Wärme und tiefen Gefühlen. Sie weckt das in den Menschen, was viel zu lange in der Tiefe schlummerte: Gemeinschaftsgefühl, Herzlichkeit und tiefe Gefühle. Und auch der Leser wird von Parvaneh verzaubert.

Auch mich hat der Zauber dieses Buches von Beginn an gepackt und nicht mehr losgelassen. Die wundervolle Sprache Backmans, die schon an den Zitaten deutlich wird, hat mich tief berührt und ich muss sagen, dass es wenige Bücher gibt, die mir beim Lesen so oft die Tränen in die Augen getrieben haben, wie dieses.

Die Biografie Oves ist die Biografie eines Mannes, der für seine Werte – allen voran für Gerechtigkeit – kämpft. Und das bis zuletzt. Dabei hat das Leben viele, man will sagen zu viele, Schicksalsschläge für ihn bereit gehalten, die ihn jedoch nie brechen konnten. Sie haben ihm nur einen harten Panzer verpasst, den es mit viel Gefühl und einer manchmal straffen Hand zu brechen gilt.

Backman spielt perfekt mit seinen Charakteren, die so lebendig sind, dass man sich wünsche würde, ihnen auf der Straße zu gehen. Er gibt ihnen Schicksale, die hinter jeder Haustüre lauern könnten und die man auf den ersten Blick nicht zu erahnen vermag. Mit viel Feingefühl beschreibt er diese Geschichten, die hinter den einzelnen Protagonisten stecken und verwebt sie zu einem filigranen Netz, in dessen Zentrum immer einer auftaucht: Ove.

Ich kann nur raten: Lest dieses Buch unbedingt! Lasst euch verzaubern von Parvaneh, von Ove, vom Katzenvieh, von Jimmy und wie sie alle heißen. Erlebt, wie Oves Panzer bricht und wie unter der harten Schale ein ganz weicher Kern auftaucht. Doch erlebt nicht nur Oves Veränderung, erlebt den Wandel eines ganzen Stadtviertels, der das Herz berührt. Tränen der Rührung wechselten sich mit Lachtränen ab und am Ende hab ich wirklich geheult wie ein Schlosshund. Nicht vor Trauer, nein, ein Weinen aus einem guten Gefühl heraus, weil die Geschichte so herzerwärmend geschrieben ist und genau dieses warme Gefühl tief im Herzen zurücklässt. Ich finde, jeder sollte einen Ove haben – und natürlich auch die dazugehörende Parvaneh. Für mich DAS Herbstbuch schlechthin und Herzensbuch noch dazu!