Rezension

Herzerwärmende Märchenadaption mit dunklen Seiten

Marmorkuss - Jennifer Benkau

Marmorkuss
von Jennifer Benkau

Bewertet mit 4.5 Sternen

Zwischen den Buchdeckeln verbirgt sich eine ungewöhnliche Liebesgeschichte mit einer originellen Idee: Dornröschen, versetzt in die heutige Zeit. Und obwohl die Liebesgeschichte selbst unglaublich süß und herzerwärmend ist, hat sie auch dunkle Seiten, die Spannung aufbauen.

Jarno ist kein Prinz. Seitdem er arbeitslos geworden ist, jagt er dem Traum nach, Fotograf zu werden - bisher erfolglos. Also hält er sich mit einem Job als Pizzalieferant über Wasser, raucht zu viel und lebt in einer Wohnung gemeinsam mit Seval, die mir auf Anhieb sympathisch war. Sie studiert Politikwissenschaft mit dem Traum, die Frauenrechte in dem Land ihrer Großeltern, der Türkei, verbessern.
Und auch Klara hat einen Traum: Sie will Lehrerin werden. Dafür fleht sie sogar ihren Verlobten an, die Verlobung weiter geheim zu halten. Doch dann taucht auf einmal eine merkwürdige Frau auf, die sie beobachtet ...

Was die Charaktere alle gemeinsam haben, ist, dass sie sehr vielschichtig und lebensecht sind. Jarno, der sein Leben nicht wirklich auf die Reihe kriegt, sich mit seiner Mutter zerstritten hat und dem seine Geschwister am Herzen liegen. Dadurch, dass Fotografie sein Lebenszentrum ist, spielt sie auch in der Geschichte eine wesentliche Rolle. Und so kommen trotz seiner leicht rauen Gewohnheiten auch seine weichen Seiten zum Vorschein, die ihn liebenswert machen.
Aber das gilt auch für die Nebencharaktere, wie Jarnos besten Freund Ben, der zwar nach außen hin bedrohlich wirken mag, aber im Inneren loyal und irgendwie fast niedlich ist.
Und auch Klara war mir sehr sympathisch. Sie ist beeindruckt von den Frauenrechtlerinnen und ahmt ihnen insgeheim nach. Als sie in unserer Zeit landet, gelingt es ihr schnell, sich anzupassen, auch wenn ihr einiges befremdlich erscheint. Sie ist relativ selbstbewusst, weiß sich zu behaupten und handelt entschlossen.

Der Erzählstil ist ebenfalls sehr ungewöhnlich. Im ersten Teil erzählen abwechselnd Klara und Jaron, die beiden Stränge aus den unterschiedlichen Zeiten werden dadurch verbunden, dass der letzte Satz des vorherigen Abschnittes erst im nächsten Abschnitt aus der Sicht des anderen beendet wird. Allein dafür, dass es der Autorin gelingt, diese Bruchteile immer in einen passenden Kontext zu bringen und ihnen einen teils auch anderen Sinn zu verleihen, hat sie meinen Respekt.
In den anderen drei Teilen verzichtet sie dann auf diese Form, stattdessen kommen nun auch kurze Abschnitte aus der Sicht der Antagonistin hinzu, die die Spannung so nochmal erhöhen. Der Schreibstil lässt sich allgemein flüssig lesen.

Fazit: Herzerwärmende Liebesgeschichte mit außergewöhnlicher Idee und dunklen Seiten - gelungene Märchenadaption mit vielschichtigen Charakteren!