Rezension

Historisch überzeugend - spannend - rundum gelungen!

Die geheime Braut - Brigitte Riebe

Die geheime Braut
von Brigitte Riebe

Wittenberg 1528: Die beiden Nonnen Susanna und Binea sind auf der Flucht. Nachdem im Zuge der Reformation immer mehr Klöster geschlossen werden verlieren auch die beiden ehemaligen Nonnen ihr sicheres Refugium und versuchen gemeinsam eine neue Bleibe, eine neue Aufgabe zu finden bzw. sich überhaupt erstmal durchzubringen. Bei einem versuchten Diebstahl treffen sie auf den jungen Maler Jan Seman aus der Werkstatt von Lucas Cranach, dem berühten Maler der deutschen Renaissance. Er bringt die beiden nach Wittenberg, wo sie zunächst als Mägde bei der nicht minder berühmten Familie Luther anfangen können. Luthers Frau Katharina von Bora weiß sich als ehemalige Nonne mit dem Schicksal der Frauen zu identifizieren und nimmt sie im "Schwarzen Kloster" auf, das der Kurfürst den Luthers wenige Jahr zuvor überlassen hatte. Auch Lucas Cranach, Ratsherr und viel beschäftigter Maler, bekommt die Reformation zu spüren. Nachdem "Heiligenbilder" kaum noch gefragt sind konzentriert sich der Maler mit seiner Werkstatt vermehrt als Hofmaler auf den Adel und nimmt sonstige Auftragskunst an, auch die griechische Mythologie ist wieder en vogue. Eines Tages ereilt ihn ein besonderer Auftrag von einem maskierten Mann. Er soll die drei Grazien, die Töchter des Zeus (Aglaia, Thalia & Euphrosyne) auf einem Gemälde vereinigen. Zunächst eine einfach erscheinende Aufgabe, die allerdings an eine Bedingung geknüpft ist. Real existierende Frauen müssen ihm nackt Modell stehen, nach und nach soll er erfahren, wer die Frauen sind. Als erstes soll Aglaia portraitiert werden - und Jan Seman, der bei Frauen beliebt ist, bekommt die Aufgabe die Frauen davon zu überzeugen sich nackt malen zu lassen... Im Wittenberger Frauenhaus bekommt derweil die Hurenwirtin Griet Besuch von ihrem unangenehmen Patron. Außerdem nimmt sie ein junges Mädchen bei sich auf, das ihre Eltern verloren hat. Die kecke Marlein wächst ihr ans Herz - soll sie sie tatsächlich als Hure bei sich arbeiten lassen?
Zunächst muss ich sagen dass dieser Roman einen perfekt symmetrischen, fast schon klassischen Aufbau hat. Form und Inhalt stimmen also perfekt überein und das trägt zum positiven Leseerlebnis absolut bei. Dass das besagte Gemälde auch noch vorn und hinten in sehr guter Qualität abgedruckt ist, ist ebenfalls sehr hilfreich, denn man schaut beim Lesen doch ganz gerne mal nach und hat dann ein Aha-Erlebnis wenn man das Beschriebene im Bild vorfindet.
Die Charaktere und handelnden Figuren sind von der Anzahl genau richtig für die Krimihandlung, die sich nach und nach entwickelt. Es mischen sich fiktive Figuren (Susanna, Binea, Jan Seman, Griet...) mit historischen Persönlichkeiten (der Kurfürst und seine Frau, Luther, Katharina von Bora, Cranach, Melanchthon...), was den besonderen Reiz des Romans mitunter ausmacht. Dabei ist auf Seiten der historischen Persönlichkeiten nichts "weit hergeholt". Wie die promovierte Historikerin Brigitte Riebe im Nachwort schreibt sind die Schicksale der Nonnen in dieser Zeit oder das Vorhandensein eines Frauenhauses in Wittenberg geschichtliche Realität. 
Was mich am meisten begeistert hat war die Atmosphäre, die Brigitte Riebe erzählerisch heraufbeschwört. Das Geheimnisvolle (wie schon im Einstein-Zitat als Motto) schwebt über der Handlung, die überaus realitätsnah, fast schon filmisch, vermittelt wird. Man ist als Leser so mittendrin, dass man sich seber im dunklen Schloss des Kurfürsten, den geheimnisvollen Auftraggeber belauschend, wähnt oder den Geruch wahrnimmt, den die Lebzelterin mit ihren Kerzen und Lebkuchen erzeugt. Auch ist die Reformation überall zu spüren und dass sie es paradoxer Weise nicht geschafft die Welt zu entzaubern (wie es im Nachwort heißt), sondern im Gegenteil bis in die Mitte des 17. Jahrhunderts ein verstärkter Volksaberglaube zu herrschen schien. Die Abwesenheit des katholischen Prunks stellt eine Leere her, die umso geheimnisvoller erscheint, man hat ständig das Gefühl: da war doch etwas, hinter all dem neuen, Gottesfürchtigen "Nichts" steht ein riesen Fragezeichen... Das Wittenberg dieser Zeit ist ein wirklich toller Schauplatz, den ich noch nirgends so eindrücklich beschrieben gefunden habe.
Rundherum kann ich sagen dass "Die geheime Braut" ein rundum gelungener historischer Roman mit Krimielementen ist, dem ich nur jedem ans Herz legen kann und der mir immer in Erinnerung bleiben wird.