Rezension

Historischer Roman mit einem Schreibstil, der erfrischend anders ist

Von Piraten und Pfeffersäcken - Heiko Kraft

Von Piraten und Pfeffersäcken
von Heiko Kraft

Bewertet mit 4 Sternen

Zum Inhalt:

Man schreibt das Jahr 1368.
Lernen Sie die wichtigsten Akteure der damaligen Zeit persönlich kennen: Königin Margarethe von Dänemark, Klaus Störtebeker, Magister Wigbold, Simon von Utrecht und natürlich auch den Scharfrichter.

Unternehmen Sie eine Zeitreise in das Nordeuropa des Spätmittelalters: nach Hamburg, Bergen, Wismar, Brügge, Kopenhagen und in das Emirat Granada.

Dieser spannende Abenteuerroman wird besonders alle Norddeutschen interessieren, die auf unterhaltsame Art mehr über die Geschichte ihrer Heimat erfahren möchten.

-- MACHEN SIE DEN TEST --

Dieses Buch wird Ihnen gefallen, wenn mindestens fünf der folgenden Aussagen auf Sie zutreffen:

- Sie mögen Norddeutschland und die Stadt Hamburg und Sie möchten wissen, wie man dort zur Hansezeit vor 600 Jahren lebte.

- Sie möchten mehr über die norddeutsche Geschichte erfahren und Sie lesen hierzu lieber einen spannenden Roman, als Fachbücher zu wälzen.

- Sie schätzen einen sachlichen norddeutschen Schreibstil und sie können auf die ganz großen Emotionen verzichten.

- Sie möchten einen echten historischen Roman lesen, der nicht frei erfunden ist, sondern der die tatsächlichen Ereignisse schildert, gut recherchiert ist und einen Informationsteil im Anhang bietet.

- Sie erwarten KEINEN Hansekrimi und auch keinen Liebesroman, obwohl im Buch mehrere starke Frauen vorkommen.

- Sie haben einen „Blick ins Buch“ geworfen und die Leseprobe hat Ihnen gefallen.

- Sie haben die Störtebeker-Festspiele auf der Insel Rügen oder das Hamburg Dungeon besucht und Sie fragen sich, wie die Konflikte zwischen Seeräubern, Hansestädten und Dänemark wirklich abliefen.

Das Buch beginnt im Jahr 1368 mit Hermann und seiner Kogge, die die Rückreise von Bergen schon fast geschafft haben, als sie in einen fürchterlichen Sturm geraten und die Kogge Schiffbruch erleidet. Über das seemännische Fachwissen habe ich zugegebenermaßen kurz gestutzt, fand das dann aber sehr interessant. Da scheint sich jemand mit dem Handwerk auszukennen. Der Untergang der Kogge ist jedenfalls spannend beschrieben und der Einblick, was mit dem angespülten Gut passiert ist sehr aufschlussreich. Dann lernen wir den 8jährigen Martin kennen, der schon rein charakterlich nicht in seine Familie zu passen scheint. Er findet den einzigen Überlebenden der Kogge, Hermann, und rettet ihn ein zweites Mal, als die Erwachsenen beschließen, ihn zu töten, um die angespülte Ware behalten zu können. Martin hört dabei auch zufällig, dass sein Vater gar nicht sein Vater ist und so beschließt er, mit Hermann zusammen zu fliehen, denn das Leben, was er nun kennengelernt hat, kann er sich für sich nicht vorstellen.

Hermann bietet Martin an, mit ihm in Hamburg in seiner Familie zu leben, was dieser gerne annimmt. Nach geglückter Flucht und einer beschaulichen Fahrt auf der Elbe kommen sie im wuseligen Hamburg an. Was für ein Treiben! Ein lebendiges Wimmelbild. Als Hermanns Frau von Martins Heldentat erfährt, heißt sie ihn herzlich Willkommen.

Das Leben in Hamburg, das Rathaus, der Markt ist alles so toll beschrieben, ich hab das lebendige Treiben bildlich vor Augen.

Martin wird in die Familie aufgenommen und hat nun endlich ein liebevolles Zuhause. Er soll lernen und in Hermanns Fußstapfen treten. Dabei erfahren wir, dass ausgerechnet die Bierbrauerei das Hauptgeschäft des Kaufmanns ist. Und wie schon das Handwerk auf der Kogge sehr detailreich beschrieben wurde, folgt nun ein ausführlicher Einblick in die Kunst des Bierbrauens.

Überhaupt sind wir beim Leben in der damaligen Zeit hautnah dabei. Klasse! Durch eine Ansprache des Bürgermeisters erfährt man so einiges über die Regeln für das Zusammenleben in der Stadt.

Dann folgt Martins Aufbruch zu seiner Lehrzeit nach Norwegen, durch die wir das Leben im Handelskontor in Bergen kennenlernen - und Königin Margarethe.

Nun jagt ein Abenteuer das nächste. Martin wird wieder zum Retter und er findet etwas über seine eigene Vergangenheit heraus.

Mit Martin und seiner Frau reisen wir auch noch nach Granada, dessen Beschreibung total faszinierend ist. Beachtlich wieviel zivilisierter (und hygienischer) das Leben dort war.

Am Ende wird es nochmal richtig spannend. Die Piraten werden bekämpft, denn sie verhindern den Handel der Hanse. Wie es ausgeht und was es mit Klaus Störtebeker auf sich hat, verrate ich allerdings nicht.

Nach der letzten Seite geht es noch mit einem ausführlichen Anhang weiter: Literaturhinweise,
ausführliche Zeittafel, Worterklärungen (gut und leicht verständlich erklärt, lebendige Wissensvermittlung), Liste der Personen.

Das ganze Buch ist trotz der vielen Informationen flüssig geschrieben und lässt sich zügig lesen. Den Stil finde ich erfrischend anders. In diesem Buch spielen die historischen Begebenheiten die Hauptrolle und die Personen führen uns mit ihrer Lebensgeschichte wie ein roter Faden hindurch. Mancher mag hier die gewohnte Fülle der Emotionen vermissen, aber wenn man einmal im Lesefluss drin ist, finde ich, passt es. (Die Punkte in „Machen Sie den Test“ treffen jedenfalls zu!) Mir hat das Buch sehr viel Lesefreude bereitet. Nachdem ja leider, muss ich sagen, der historische Roman vor einiger Zeit in Mode gekommen war, hatte wie ich finde, die Qualität der Bücher hinsichtlich Recherche der historischen Hintergründe oftmals sehr zu wünschen übrig gelassen. Es wurde so manches gedruckt, was ich persönlich als „Groschenroman im historischen Gewand“ bezeichne. Das hatte mir das Lesen historischer Romane verleidet. Mittlerweile sieht man zum Glück wieder einige besser recherchierte Bücher. Aber umso erfreuter bin ich, mit „Von Piraten und Pfeffersäcken“ ein Buch gefunden zu haben, das sich genau am anderen Ende des Spektrums befindet: gut recherchiert, das Historische steht im Vordergrund, es wird nichts historisch Belegtes verdreht oder Dinge, die nicht zu der Zeit passen, dazu erfunden, um einer Liebesgeschichte oder einem Abenteuerroman zu dienen. Die (historische) Geschichte und das Leben in der damaligen Zeit sind doch spannend genug! Ich freue mich schon auf weitere Bücher des Autors!

Meine Rezension bezieht sich auf folgende Ausgabe: Taschenbuch: 328 Seiten/Februar 2016. Eine weitere Überarbeitung ist geplant, das Buch wird dann voraussichtlich ca. 50-70 Seiten mehr enthalten, worauf sich sicherlich zu warten lohnt.