Rezension

Humorvoller Start in die neue Gruselreihe, dem noch ein bisschen Kontur fehlt

Johnny Sinclair - Beruf: Geisterjäger - Sabine Städing

Johnny Sinclair - Beruf: Geisterjäger
von Sabine Städing

Bewertet mit 4 Sternen

Johnny Sinclair ist 12 Jahre alt und lebt zusammen mit seinem haitischen Kindermädchen Cécile auf dem alten, schottischen Anwesen Greyman Castle, während seine Eltern - geachtete Ethnologen - in der Weltgeschichte herum bummeln. Langweilig wird es Johnny in der gruseligen Burg mit ihrer düsteren Bibliothek, den zerfallenen Türmen und Geheimgängen aber nicht. Denn seit kurzem sieht Johnny Geister. Und davon gibt es hier gleich vier auf einen Streich. Weil ihm keiner glauben will, muss Johnny sich selbst helfen und bekommt dabei ungewöhnliche Unterstützung von einem eigenwilligen, sprechenden Totenschädel.

Mit Geistern kann man mich fast immer glücklich machen, und auch Sabine Städing ist es gelungen, mir – obwohl deutlich Ü10 – ein paar schöne Lesestunden zu bescheren. Insgesamt erfindet die Autorin das Gespensterrad zwar nicht neu, peppt Bekanntes aber gekonnt mit eigenen Ideen auf, wie etwa die Geisterjagd mit Salzwasserpistole. Ganz im Gegensatz zum großen Vorbild "Geisterjäger John Sinclair" geht es hier größtenteils humorvoll zu. Mit viel schottischem Moor-und-Nebel-Flair auch (der Zielgruppe entsprechend) gruselig und so unterhaltsam, dass man sich fix durch die Seiten liest.

Was jedoch sofort auffällt, ist der Schreibstil: Viele Dialoge, rasche Szenenwechsel, wenige Beschreibungen und leider auch wenige Erklärungen. Die Geschichte ist spaßig heruntergeschrieben, ein einordnender Erzählrahmen und eine intensivere Charakterzeichnung habe ich jedoch vermisst. Nicht nur dem Hauptprotagonisten würde ein wenig mehr Kontur gut zu Gesicht stehen. Auch die Nebenfiguren könnten etwas Farbe um die Nase definitiv vertragen. Und: Warum kann Johnny eigentlich plötzlich Geister sehen? Wo kommen die her? Was wollen die? Warum kann anfangs nur Johnny Geister sehen, im Laufe des Buches aber auch alle anderen? Was hat es mit dem Voodookult des Kindermädchens auf sich? Wo genau sind Johnnys Eltern? Fragen über Fragen, auf die es vielleicht in den nächsten Bänden Antworten gibt.

Auf der Plus-Seite muss der einfache, natürliche Erzählton genannt werden. Die Autorin vermeidet eine gewollt-coole Teenagersprache und besticht durch ungekünsteltes, lebendiges Erzählen. Und: Sie steigt ohne langen Vorlauf in die Geschichte ein, so dass junge Leser schnell gefesselt sein dürften.

Das Buchensemble ist im Zusammenspiel überschaubar, aber bunt und vielversprechend: das voodoo-affine Kindermädchen Cécile, der trottelige, treue Freund Russell, der altkluge Schädel und die sonderliche junge Millie, spielen sich so langsam warm und könnten sich zu einem tollen Team entwickeln.

Es handelt sich zwar um einen Reihenauftakt, allerdings kann man die Geschichte prima als Einzelband lesen: Johnny macht erste Erfahrungen mit der Geisterwelt, legt sich gemeinsam mit seinen Freunden wirksame Strategien gegen die spukenden Störenfriede zurecht und am Ende hat er seinen ersten „Fall“ erfolgreich abgeschlossen und ist bereit für neue Abenteuer.

Fazit: Burg Schreckenstein trifft Geisterjäger. Altersgerecht-gruseliges und humorvolles Buch für Jungs, an dem sicher auch Mädchen ihre Freude haben. Einige Erklärungen und eine prägnantere Charakterzeichnung könnten aber nicht schaden. Da darf man der Altersgruppe ruhig mehr zutrauen!