Rezension

Ich bin begeistert!

Verrat am Kaiser-Wilhelm-Kanal - Anja Marschall

Verrat am Kaiser-Wilhelm-Kanal
von Anja Marschall

Bewertet mit 5 Sternen

1896: Im Kaiser-Wilhelm-Kanal wird eine Tote gefunden. Hauke Sötje, der zufällig bei der Bergung zugegen war, glaubt nicht an Selbstmord, für ihn deutet vieles auf eine Gewalttat hin. Doch zunächst muss die Identität der Frau geklärt werden, bei der es sich wahrscheinlich um ein Dienstmädchen handelt, die aber etwas sehr Wertvolles bei sich trägt.

Während Hauke versucht den Fall zu lösen, wird er mit seiner Vergangenheit konfrontiert und erhält die Chance, endlich zu erfahren, warum sein Schiff untergehen musste.

Es gibt Romane, da ist man vom Fleck weg begeistert. Mir ging es so bei diesem, schon den Prolog fand ich sehr gelungen, im weiteren konnte ich den Roman kaum aus der Hand legen, er ist interessant, gut recherchiert, spannend, mit Humor und viel Lokal- und Zeitkolorit, und wartet zudem mit überzeugenden Charakteren auf.

Besonders Hauke gefällt mir gut, der ehemalige Kapitän, der durch den Untergang seines Schiffes ein Trauma erlitten hat und sich nicht mehr an die Umstände, die dazu führten, erinnern kann. Mittlerweile Kommissar bei der erst vor kurzem gegründeten Kriminalpolizei, ist er bestrebt, zu nachweisbaren Erkenntnissen zu kommen, weswegen er auch in seiner Freizeit experimentiert, z. B. mit der neuartigen Fingerabdrucktechnik. Hauke ist mir direkt sympathisch gewesen.

Haukes Verlobte Sophie gefällt mir ebenfalls sehr gut. Sie lässt sich nicht so schnell unterkriegen und geht ihren Weg. Natürlich hat dieser innerhalb der damaligen Gesellschaft seine Grenzen, sie versucht aber ihr Bestes und hat sicher mit Hauke einen guten Partner dafür.

Auch andere Charaktere sind der Autorin gut gelungen, Haukes Vorgesetzter, seine Zimmerwirtin, Regierungsbeamte, Adel usw., sie wirken nicht nur authentisch, sondern man kann sie sich auch bildlich vorstellen.

Die Autorin erzählt insgesamt sehr bildhaft, man merkt auch, wie gut sie recherchiert hat. Ich hatte ständig das Gefühl, mit Hauke durch Kiel zu laufen und mit ihm verschiedene Örtlichkeiten zu besuchen. Ein besonderes Bonbon sind die kapiteleinleitenden Originalzitate von 1896 aus verschiedenen Zeitungen, die manchmal überraschend gut zum Inhalt des einzelnen Kapitels passen. Außerdem erfährt der Leser auf diese Weise einiges Interessante aus diesem Jahr. Der Fall/die Fälle haben mir gut gefallen und sind logisch und passend gelöst, passen zudem ebenfalls gut in die Zeit.

Wie es sich für historische Romane gehört, gibt es auch hier Zusatzinhalte: Karten des Kaiser-Wilhelm-Kanals und im Anhang sehr lesenswerte Anmerkungen der Autorin. Insgesamt erhält man mit diesem Roman ein gelungenes Rundum-Paket.

„Verrat am Kaiser-Wilhelm-Kanal“ ist zwar bereits der dritte Band um Hauke Sötje, man kann ihn aber gut lesen, ohne die Vorgängerbände zu kennen, ich kenne sie bislang auch nicht, werde sie aber auf jeden Fall noch lesen, ein vierter Band ist glücklicherweise schon in der Planung, so dass man auf viele weitere hoffen kann.

„Endlich mal wieder ein gelungener Krimi“, habe ich mir nach der Lektüre gedacht, noch dazu ein historischer, die ich besonders gerne mag. Hier stimmt einfach alles, gute Recherche, Lokal- und Zeitkolorit, gelungene Charaktere und interessante Fälle. Ich vergebe sehr gerne volle Punktzahl und eine Leseempfehlung für alle die historische (Kriminal)romane mögen.