Rezension

Ich bin beGEISTERt!

Geister
von Nathan Hill

Hach, endlich mal wieder so ein schönes dickes Buch, in das man sich versenken kann - eine richtige Schwarte! Langsam kommt die Geschichte in Schwung, nimmt Fahrt auf, nimmt hier einen Umweg, macht da einen Abstecher und nähert sich ganz allmählich dem Ziel. Der rote Faden wird nicht aus den Augen verloren. Die Geschichte spielt auf zwei Zeitebenen: Jetzt und 1968. 

Literaturprofessor Samuel ist angeödet von seinen desinteressierten Studenten, hat seine große Liebe verloren und entflieht in die virtuelle Welt eines Online-Spiels. Und so bekommt er gar nicht mit, dass ein Attentat auf einen konservativen Präsidentschaftskandidaten verübt wurde. Ein Attentat oder eher eine Demonstration? Faye hat ein paar Kieselsteine geworfen... Die Medien schlachten das gnadenlos aus und bohren in ihrer Vergangenheit: Sie war schon 1968 eine wilde Demonstrantin, nahm an Straßenschlachten teil und wurde wegen Prostitution angezeigt. Samuel soll über ihren Charakter Auskunft geben, denn siehe da: Sie ist seine Mutter, die ihn als Elfjährigen verlassen hat. Sam ist immer noch zutiefst verletzt und hat nie verstanden, warum sie ging. Doch das Bild, das da von ihr gezeichnet wird, passt so gar nicht zu seinen Erinnerungen...

Wie hat sich die Gegenwart aus der Vergangenheit entwickelt? Liegt der Charakter in den Genen? Ist die Umwelt und sind die Erlebnisse, die wir in ihr machen, prägend? Ist alles vorherbestimmt - Determinismus, Kismet? Oder liegt es daran, wie Sams Großvater glaubt, dass ein Nix, ein nordischer Hausgeist, beleidigt wurde und nun die Familie über mehrere Generationen heimsucht? Was auch immer es sein mag: Hill erzählt eine fesselnde Familiengeschichte, zeichnet gleichzeitig ein Bild der Chicagoer Unruhen von 1968 und der heutigen amerikanischen Gesellschaft mit ihrem Konsumgeist und der Jagd nach Aktualität. Er beschreibt lebensechte und glaubwürdige Charaktere, deren Schicksal mir nahegeht. Es gibt spannende Szenen, rührende Episoden und lustige Wortspiele. Alles in allem eine wunderbare Unterhaltung. Und wie in einem modernen Märchen gibt es zwar nicht unbedingt ein happy end, aber doch eine neue Chance für die Protagonisten. Ob der Nix nun versöhnt ist?

Kommentare

Steve Kaminski kommentierte am 31. Juli 2017 um 10:56

Danke für die Rezi - das Buch werde ich mir mal merken!

Naibenak kommentierte am 31. Juli 2017 um 11:13

Musst du, Stevie!!!! Das wirst du sicher auch mögen! Ist echt großartig :-)

Schöne Rezi, Firi! Danke :-)

Steve Kaminski kommentierte am 31. Juli 2017 um 11:46

Ich hab's schon in mein Wunschregal gestellt. Nachdem ich Firis Rezension gelesen habe, hab ich gesehn, dass Du und Wändy und andere auch begeistert waren. - Im Moment bin ich auch noch an so einem Schmöker: Kapital, von John Lanchester - auch sehr gut zu lesen, viele Geschichten von unterschiedlichen Menschen.