Rezension

Ich bin Max Heller

Der Angstmann - Frank Goldammer

Der Angstmann
von Frank Goldammer

Bewertet mit 5 Sternen

Nachdem der Trend in letzter Zeit ja anscheinend dahin geht, dass Krimi-Autoren sich mit jedem Buch bei der Darstellung von Grausamkeiten übertreffen und ohne komplizierte chemische Analysen gar nichts mehr läuft, war das zur Abwechslung ein Krimi ganz nach meinem Geschmack: ein Polizist auf der Suche nach Wahrheit und Gerechtigkeit in den Kriegswirren in Dresden 1944/45. Auf die Frage, wer oder was er denn eigentlich sei, Nazi oder Kommunist – das eine nach dem Krieg ein Problem, das andere vor dem Krieg – antwortet er nur: "Ich bin Max Heller", ein Satz, der dieses Buch für mich auf den Punkt bringt. Es ist mir egal, ob die Beschreibungen der Bombenangriffe historisch genau sind und es ist mir auch egal, obwohl ich mir die Frage beim Lesen natürlich auch gestellt habe, ob es tatsächlich möglich war, dass ein Polizist im Dritten Reich relativ unbehelligt weiterarbeiten konnte, ohne in der NSDAP oder in der SS zu sein. Darum geht es für mich in diesem Buch nicht.

Wegen einer Verletzung aus dem 1. Weltkrieg ist Kriminalinspektor Max Heller einer der wenigen Männer, die im Winter 1944/55 noch in Dresden leben und nicht an der Front sind. Er ist Polizist mit Leib und Seele, obwohl er sich in diesen schwierigen Zeiten manchmal selbst daran erinnern muss, warum er den Beruf ergriffen hat. Sein Vorgesetzter ist gelernter Fleischer, kein Polizist, aber im Gegensatz zu Heller parteitreu. Heller hat sich schon immer geweigert, irgendeiner Gruppierung beizutreten. In jenem Winter verbreitet der sogenannte "Angstmann" Angst und Schrecken in den Dresdner Bombennächten. Die Menschen hören merkwürdige tierähnliche Geräusche und es werden grausam verstümmelte Frauenleichen gefunden. Heller versucht mit den bescheidenen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln, den Mörder zu finden. Als nach Kriegsende wieder Spuren des Täters auftauchen, ermittelt er weiter, obwohl er offiziell kein Polizist mehr ist. Zu diesem Zweck muss er mit einem russischen Kommissar zusammenarbeiten und es herrscht Misstrauen auf allen Seiten. Man weiß genauso wenig wie in der Nazi-Zeit, wem man trauen kann und wem nicht…

Im Winter 1944/45 sterben so viele Menschen in Dresden, eigentlich machen die wenigen Frauenleichen da keinen großen Unterschied, aber Heller will diesen Mörder finden. Er will ein Mensch bleiben und er ist auf der Suche nach Wahrheit. Er weiß nicht, wem er trauen kann, vertraut auch manchmal den Falschen, aber er bleibt Mensch. Bei seinen Ermittlungen muss er sich hauptsächlich auf Menschenkenntnis und Intuition verlassen. Mir hat diese ruhige, altmodische Darstellung der Ermittlungen gut gefallen. Man erfährt zwar, dass die Leichen grausam verstümmelt wurden, der Autor geht aber nicht ins Detail, was ich als angenehm empfand. Ob historisch korrekt oder nicht, "Der Angstmann" ist ein gut zu lesender, spannender Krimi, vor allem für Leser wie mich, die viele Krimis lesen und gerne einmal "entschleunigen" möchten.