Rezension

Ich habe mich verlaufen...

Die Auserwählten - Im Labyrinth - James Dashner

Die Auserwählten - Im Labyrinth
von James Dashner

Bewertet mit 4.5 Sternen

"Die Auserwählten - Im Labyrinth" umfasst 490 Seiten und gliedert sich in 62 Kapitel sowie einen Epilog. Besonders sind die Kapitelüberschriften, denn diese bestehen zum Einen aus der Kapitelzahl, zum Anderen aber auch aus einem Mosaik: Mit jedem Kapitel erscheint in der Kapitelüberschrift ein neues Teil eines Bildes, das sich nach und nach zusammensetzt. Eine großartige Idee!

Geschrieben ist das Buch aus der Sicht eines allwissenden Erzählers in der Vergangenheitsform.

Ein großes Extra versteckt sich auf der Rückseite des Buches: Dort ist ein Labyrinth abgedruckt, das als Navigator für ein Online-Spiel dient. Auf der Seite von Chickenhouse findet man ein Reality Game, mittels einer Webcam lässt sich dieses durch Drehen des Buchrückens spielen. Leider hat bei mir die Technik versagt, deshalb konnte ich das Spiel nicht testen. Aber die Idee finde ich klasse und habe ich bislang auch noch nicht bei anderen Büchern gesehen.

Besonders ist auch die Gestaltung des Buches. Das Cover ist sehr mysteriös und auch ein wenig beängstigend, bringt den geneigten Leser aber definitiv dazu, das Buch zur Hand zu nehmen.

Die amerikanische Originalausgabe von "Die Auserwählten - Im Labyrinth" erschien 2010 unter dem Titel "The Maze Runner".

Meine Meinung zum Buch:
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Jugendbücher haben es mir in letzter Zeit irgendwie angetan und auch das Genre "Dystopie" reizt mich. Und da dieses Buch beide Genres vereint, trifft es genau meinen Geschmack!

"Die Auserwählten - Im Labyrinth" beginnt unvermittelt und handlungsreich und von Anfang an gelingt es dem Autor, Spannung aufzubauen. Den Leser erwartet bereits im ersten Kapitel folgendes Szenario:

Thomas, der Protagonist des Buches, erwacht in einem Aufzug und erinnert sich nur noch an seinen Namen. Sein Gehirn funktioniert problemlos, doch er kann nicht sagen, woher er kommt oder wer seine Eltern sind. Und schon gar nicht weiß er, wie er in den Aufzug geraten ist.
Als sich nach einer Ewigkeit die Türen des Aufzugs öffnen, wird Thomas von einer Horde Jugendlicher begrüßt, die ihn teils interessiert, teils aber mit Abneigung mustern und mit den Worten "Willkommen auf der Lichtung" begrüßen. Die Lichtung ist ein riesiger Platz, der umgeben ist von enormen, himmelhohen Wänden aus grauem Stein, die mit Efeu bewachsen sind. In der Mitte der Wände befinden sich Öffnungen und durch diese sind Gänge und Wege zu sehen. Dies ist das Labyrinth, das einen Ausweg aus dieser merkwürdigen Szenerie darstellt, doch in seinen Gängen lauern unheimliche Kreaturen und jede Nacht bewegen sich die Wände des Labyrinths. Gleichzeitig schließen sich die riesigen Öffnungen und wer die Nacht im Labyrinth verbringt, kehrt nicht mehr lebend zurück.

Mit dieser Szenerie sieht sich der Leser zu Beginn des Buches konfrontiert, und es ist eine atemberaubende Szenerie. Voller Fragen, voller Rätsel. Doch dabei allein bleibt es nicht, der Autor spinnt dieses Szenario weiter und den Leser erwarten im Verlauf des Buches viele aufregende Entwicklungen und spannende Ereignisse.

Für mich ist bei utopischen oder auch dystopischen Büchern besonders wichtig, dass der Autor der Geschichte eine gewisse Glaubhaftigkeit und Authentizität verleiht. Ich habe keine Probleme damit, mich in fantastische Handlungen hineinzudenken, aber es muss dabei doch alles in gewissem Maße glaubwürdig bleiben. Dieses Kriterium erfüllt James Dashner mit diesem Werk problemlos: Die Jugendlichen befinden sich teilweise seit über zwei Jahren auf der Lichtung und sie haben sich trotzdem noch nicht völlig mit ihrer Situation abgefunden. Statt dessen suchen sie Tag für Tag einen Ausweg aus dem Labyrinth. Doch was mich besonders überzeugt hat, ist die Tatsache, dass die Jugendlichen es geschafft haben, ein eigenes Gesellschaftssystem zu entwickeln. Sie sprechen eine eigene Sprache, die von Wörtern wie "Klonk", "Nepp" oder "Schwapper" beherrscht wird. Und das bemerkenswerte ist, dass nicht nur Thomas beginnt, in dieser Sprache zu sprechen, sondern auch ich als Leser beginne, in dieser Sprache zu denken und innerlich zu sprechen.
Größtenteils versorgen sich die Jugendlichen selbst. Sie haben Felder bestellt, bepflanzen Gärten, führen einen Bauernhof. Es gibt Ställe, ein Wohnhaus sowie einen Wald mit einem Friedhof. Und sie haben eine Rangordnung geschaffen, die dabei aber nicht von Gewalt und Terror beherrscht wird, sondern auch von demokratischen Elementen bestimmt wird.

Es gab während des Lesens nur eine Szene, die für mich zu konstruiert war. Mit dieser war ich nicht ganz einverstanden, da sie einfach zu unglaubwürdig war. Ich möchte an dieser Stelle aber auch nicht mehr dazu verraten. Größtenteils konnte mich der Autor aber überzeugen.

Mit Personenbeschreibungen hält sich Dashner sehr zurück. Er erwähnt zwar manchmal die Größe oder die Haarfarbe eines Charakters, aber viel bildhafter werden die Personen nicht beschrieben. Und dennoch gelingt es Dashner, jedem Charakter bestimmte Eigenheiten zu verpassen, anhand derer man sie auseinanderhalten kann.
Die Handlungsorte beschreibt der Autor zwar viel ausführlicher als die Charaktere, aber im Vordergrund des Buches steht eindeutig die Handlung. Und vor allem die Action.

Obwohl Thomas ein männlicher Charakter ist, ist es mir nicht schwer gefallen, mich mit ihm zu identifizieren. Dies gelingt vor allem deshalb, weil ich als Leser genauso wenig weiß, wie er. Und um so verständlicher ist es für mich, dass er viele Fragen an die anderen Jugendlichen stellt. Und ich bin ihm sogar dankbar dafür, denn nur so erfahre auch ich, wo sich Thomas befindet und was ihn in Zukunft erwartet.

Auch einige andere Charaktere habe ich während des Lesens lieb gewonnen, andere wiederum habe ich nicht gerade gemocht. Auch das resultiert wieder daraus, dass ich mich mit Thomas identifizieren konnte und somit seine Abneigung oder Sympathie gegenüber bestimmten Jugendlichen übernommen habe.

Dem Autor gelingt es spielend, die Spannung konstant aufrecht zu erhalten. In jedem Kapitel ereignet sich etwas und vor allem die Kapitelenden sind so spannend, dass man einfach weiterlesen muss. Wenigstens noch ein Kapitel... Und dann noch eins... Teilweise habe ich mich beim Querlesen erwischt, um noch schneller zu erfahren, was passieren wird. Das Buch enthält so viele spannende Szenen, dass man während des Lesens eigentlich kaum zur Ruhe kommt, sondern atemlos Seite für Seite umblättert und der Geschichte total gebannt folgt. Und plötzlich ist das Buch schon viel zu schnell zu Ende.

Die letzten zwei bis drei Kapitel konnten mich leider nicht hundertprozentig überzeugen. Mir fehlte hier doch etwas die Spannung und besonders im Epilog fehlt mir der typische Cliffhanger. Das Buch endet zwar durchaus interessant, aber ich hatte nach Beenden des Buches nicht das Gefühl, sofort mit dem zweiten Band fortfahren zu wollen.
Auch hat mich die Auflösung des Rätsels, warum sich die Jugendlichen in diesem Labyrinth befinden, nicht zufrieden gestellt. Aber trotzdem freue ich mich auf den nächsten Band und werde diesen sicherlich wieder in kürzester Zeit verschlingen.

Dazu hat bei diesem ersten Band auch der Schreibstil von James Dashner beigetragen. Er ist sehr angenehm und verständlich. Das Buch liest sich leicht und flüssig und ist sicherlich auf die Zielgruppe der Jugendlichen abgestimmt.

Mein Fazit:
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Ein spannendes und handlungsreiches Buch, das fesselt und dem atemlosen Leser kaum Zeit zum Luftholen lässt.