Rezension

Ich hatte mir mehr erwartet

Herr Kato spielt Familie
von Milena Michiko Flasar

Bewertet mit 3 Sternen

Wenn das Leben im Konjunktiv verharrt

„Wir springen ein, wo man uns braucht, und ersetzen den eigentlichen Darsteller, denn auch der, den wir spielen, stellt sich die meiste Zeit dar und ist somit ein Schauspieler. Ja es gibt Leute, die sind noch im Schlaf nicht sie selbst. Beklemmend oder?“

 

Inhalt

Für den kürzlich pensionierten Herrn Katō stellt sich die ganz elementare Frage, was er mit seinem Leben - nun nach dem Ausscheiden aus dem Berufsleben - anstellen soll. Die Kinder sind längst aus dem Haus, ein Hobby gibt es nicht ebenso wenig wie einen Freundeskreis und die Beziehung zu seiner Frau gleicht eher einer Wohngemeinschaft, denn einer beglückenden Ehe. Selbst der Traum von einem Hund als Haustier erscheint ihm immer abwegiger, kostet doch auch dieses Wesen Kraft und Engagement. Während sein Leben bisher auf die Erfüllung seiner beruflichen Anforderungen ausgerichtet war, fällt er nun in ein riesengroßes, schwarzes Loch und ist vollkommen überfordert mit der Tatsache, dass ihm etwas so Elementares wie der Sinn des Lebens abhandengekommen ist. Die Zufallsbegegnung mit einer jungen Frau, die ein lukratives Unternehmen aufgebaut hat und ihn gerne engagieren möchte, kommt da wie gerufen. Soll er doch einfach in die Rolle einer bestimmten Person schlüpfen und diese für einen Tag realistisch darstellen. Die Kunden zahlen für das Schauspiel einer vorgetäuschten zwischenmenschlichen Beziehung und der Darsteller selbst kommt wieder unter Leute. Herr Katō nimmt an und schlägt sich recht wacker in seinem neuen Nebenjob, nur leider hilft ihm auch diese Erfahrung nicht weiter, da er seinen Alltag weiterhin im Konjunktiv verbringt. Hätte, wäre, könnte er nur … dann bekäme sein Dasein endlich eine Bedeutung.

 

Meinung

Die 1980 geborene, in Österreich lebende Autorin Milena Michiko Flašar, beschäftigt sich in ihrem zweiten Roman mit der schwierigen Lebensphase des Übergangs zwischen der fordernden Arbeitswelt und des anspruchsfreien Lebensabends. Sie schickt ihren Hauptprotagonisten Herrn Katō, der bisher sehr gut und ausgesprochen zuverlässig funktionierte zurück in die heimische Idylle. Nur das ihn dort kaum etwas erwartet. Dieser Grundgedanke, war es, der mich zur Lektüre hat greifen lassen und ich konnte mich dank des stillen Erzähltons, der mit zahlreichen Lebensweisheiten gespickt ist, sehr gut in den alternden Pensionär hineinversetzen. Nur leider hätte ich diesem nur zu gern eine Lektion fürs Leben erteilt. Denn in erster Linie bemerkt Herr Katō, wie unglücklich, wie unerfüllt und wenig geachtet seine eigene Person ist, dass er eher stört als Freude verströmt, dass seine Frau ihn nach langjähriger Ehe kaum noch den Rücken stärkt und das ihm eines fehlt: ein Lebenssinn.

 

Dieser pessimistisch-melancholische Unterton zieht sich durch die gesamte Erzählung. Dabei wird nicht ganz klar, warum Herr Katō die Fehler stets bei anderen sucht, denn eigentlich provoziert er diese Reaktion ganz automatisch, indem er rein gar nichts anpackt, zwar eine Menge Vorhaben plant, aber keines verwirklicht, sich verzweifelt Aufmerksamkeit wünscht, sie anderen aber nur oberflächlich gewährt. Und so wird dem Leser schnell klar, die Handlung, die eigentlich ein echtes Abenteuer hätte werden können, wird es eben nicht, weil der Hauptcharakter feststeckt, in seiner Höhle verkrochen die verstreichende Zeit bedauert, die er nicht nutzen kann. Auch die wenigen Personen, die das Leben des Mannes kreuzen, bleiben etwas blass und vermögen es nicht, eine hoffnungsvollere Grundstimmung hervorzurufen.

 

Fazit

 

Von mir gibt es drei Lesesterne für diesen in Grundzügen interessanten Roman, der leider irgendwo zwischen Floskeln und Handlungsarmut steckenbleibt. Aus dem Thema hätte man eine Menge machen können, sie nicht nur mit Vorstellungen und traurigen Erkenntnissen aufhübschen, sondern ihr vor allem eine Art Sinnhaftigkeit verleihen können. Zu Gute halten muss man dem Roman, dass er sprachlich überzeugt und einen eigenen, japanisch anmutenden Ton anschlägt. Inhaltlich sind es nicht einmal Versprechen die bleiben. Vielleicht nur ein kleiner Hinweis an die Leserschaft: baut euch vor der Pensionierung das Leben auf, was ihr euch im Ruhestand wünscht, andernfalls könnte euch das gleiche Schicksal drohen: eine latente Unzufriedenheit und das fehlende Glücklichsein im Alter.