Rezension

Diese Rezension enthält Spoiler. Klicken, um alle Spoiler auf dieser Seite lesbar zu schalten.

Im wahrsten Sinne des Wortes märchenhaft.

Madame Cléo und das große kleine Glück - Tanja Wekwerth

Madame Cléo und das große kleine Glück
von Tanja Wekwerth

Bewertet mit 5 Sternen

Seit 1984 lebte Cléo in der Akazienstraße in Berlin. Nach dem Tod ihres Mannes verließ sie Paris, aber ihre Erinnerungen nahm sie mit. Früher war sie mal ein bekanntes Model bei Mademoiselle Chanel gewesen. Und ein Hauch von Chanel No. 5 umgab sie immer. Es gehörte für sie dazu wie die Luft zum Atmen. Alles andere war Vergangenheit. Nur das Jetzt zählte. Dazu auch der tägliche Kampf ums Überleben. Vor allem die angekündigte Mieterhöhrung aufgrund Sanierungsmaßnahmen traf sie hart. Sie hatte nur wenige Nachhilfeschüler in Französisch, die aber die Kosten nicht auffangen konnten. Und das Alleinsein auch nicht. Kurzentschlossen nimmt sie Adamo und seine kleine Tochter Mimi, Magdalena auf, die ihr geliebtes Wohnzimmer beziehen. Adamo war Witwer und wollte in Berlin neu anfangen. Dafür sparte er jeden Cent. Sie kamen zurecht, diese neue Wohngemeinschaft, freundeten sich an und dank Mimi kehrt die Sonne in Cléos Wonung zurück und auch die Einsamkeit hat ein Ende.
Zitat S. 45
Lächelnd schloss Cléo die Augen und empfand … Dankbarkeit. Eine große, allumfassende Dankbarkeit, die wie eine Sonne zu leuchten begann, sich wärmend in ihr ausbreitete und …

Zurch Zufall findet Cléo einen geblümten Rucksack im Wohnzimmer unter Mimis Klappbett; prall gefüllt mit 500-Euro-Scheinen. Nach endlosen Diskussionen wird beschlossen, das Geld zu verschenken. Immer ein 500-Euro-Schein in einen Umschlag mit einem Zettel. Und so wird es gemacht. Mehr dazu nicht, weil es einfach zu viel vom Inhalt und Verlauf der Geschichte verraten würde.
Doch manchmal hat auch das Glück seine Hände im Spiel und so kann der Traum von Cléo in Erfüllung gehen. Sie fliegt mit Adamo und Mimi für ein paar Tage nach Paris. Einmal in ihrem Leben wollte sie noch die Vergangenheit besuchen und dazu gehörte auch der Laden von ‚Coco‘ Chanel. War es ein Wink des Schicksals, die Beharrlichkeit von Mimi, das Geschäft von innen anzuschauen, das Flair zu genießen? Für Cléo wird es ein Schubs, ihre Perspektive zum Leben zu ändern, sich zu öffnen, Neues zu wagen. Ist man mit 70 Jahren schon alt? Ich denke nicht.

Was für eine wunderbare Idee, die Tanja Wekwerth märchenhaft umgesetzt hat und somit anderen Menschen Mut machen sollte, nicht aufzugeben.
Cléo ist eine Romanfigur, die man sofort ins Herz schließt. All ihre Schritte und Taten waren nachvollziehbar, im Gegensatz zu ihrem Untermieter Adamo, der sehr in der Schwarz-Weiß-Einstellung lebte.
Ich bin von dem mitreißenden, zauberhaften Schreibstil ganz begeistert. Alles wird so lebendig beschrieben, so dass man sich in die Geschichte versetzt fühlt und nicht nur in die Geschichte, auch die Handlungsorte umgeben einen bildhaft. Nur wenige Seiten und ich mochte das Buch nicht mehr aus der Hand legen.
Sympathische Protagonisten, aber auch die Ernsthaftigkeit gewisser Dinge machen das Buch zu einem Lesegenuss.
Mit viel Gefühl erzählt die Autorin eine Geschichte, auf den ersten Blick scheinbar nichts besonderes, doch dann verliert man sich - positiv - in ihren Worten. Die Lebensfreude von der kleinen Mimi, einfach herrlich zu lesen. Ein großes Kompliment an die Autorin, wieviel kluges, tiefsinniges, berührendes sich in diesen 304 Seiten findet.
Der Schreibstil ideenreich - träumerisch. Aber dennoch sprühen die Seiten vor Lebensfreude, zeigen auf, das Leben zu leben und jeden Moment zu genießen. Die Autorin schafft es, direkt das Herz des Lesers zu erreichen.  Auch wenn ich den nachfolgenden Satz schon einmal in einer Rezension geschrieben habe, ich wiederhole ihn hier gern, denn er passt so wunderbar:
Das Buch ist wie eine Mozartkugel, die man langsam genießen muss!
Probiert es aus - für mich ist es ein weiteres Lesehighlight in diesem Jahr und somit gebe ich meine absolute Kauf-/Leseempfehlung!