Rezension

In Rumänien läuft es nicht rund.

Der Tod in den stillen Winkeln des Lebens
von Oliver Bottini

Bewertet mit 3.5 Sternen

Ein Onlinekritiker schrieb, die Sätze seien zu kompliziert und zu lang. Ich fand keinen, der länger als zwei Zeilen war! Am liebsten hätte ich zurück gefragt, ob er ein Kinderbuch braucht. Aber ich wollte mich nicht unbeliebt machen. *g*. Trotzdem wollte ich euch diese "Kritik" weitergeben; sie war amüsant.

Oliver Bottini hat den Deutschen Krimipreis bereits viermal gewonnen! Auch das besprochene Buch, "Der Tod in den stillen Winkeln des Lebens“ wurde 2018 damit ausgezeichnet. Das ist sicherlich berechtigt, weil sich sein Roman von herkömmlichen Kriminalromanen durch die authentische Verarbeitung europäischer Zeitgeschichte unterscheidet und jede Menge Recherche im Buch steckt. Warum mich sein Roman dennoch nicht vom Hocker reißt, liegt an der fehlenden Aura des Romans.

Die Story dreht sich um Rumäniens Ausverkauf der Landwirtschaft an ausländische Investoren. Große Teile der Geschichte spielen in Temeswar, einem Dorf an der begradigten Bega. Ein anderer Schauplatz liegt in Mecklenburg-Vorpommerns verschlafenem Ort Prenzlin.

Das große Plus von „Der Tod in den stillen Winkeln des Lebens“ ist es, dass es sich bei den geschilderten Begebenheiten um wahres Geschehen handelt. Schon der tragische Verkehrsunfall auf der Autobahn, mit dem der Autor in seine Geschichte einsteigt, hat sich im Jahr 2011 in der Nähe von Rostock wirklich ereignet. Ein plötzlicher Sandsturm verursachte eine Massenkarambolage.
Und Rumänien ist momentan tatsächlich ungefähr zu vierzig Prozent in ausländischer Investorenhand. Insoweit ist der Roman mehr als ein Kriminalroman, er ist ein Wachrüttler, Informationsgeber und ein Zeugnis der Zeitgeschichte. Das ist sein Verdienst. Insofern ist der Preis berechtigt, zumal auch die Sprache floskelfrei gehändelt wird. Der Roman ist gut zu lesen, zieht sich aber in epischer Breite und Länge.
Wo ist der Fall? Die Tochter eines deutschen Agrarunternehmers, der sich in Temeswar, Rumänien, angesiedelt hat, wird umgebracht. Der Vater ist begeisterter Landwirt und denkt nicht daran, die erworbenen Agrarflächen an die großen Aufkäufer aus aller Herren Länder zu verhökern. Ein Schachern ohnegleichen beginnt.

Ein rumänisches Ermittlerduo, das Altlasten aus der Ceaușescu-Zeit mit sich herumschleppt, ist einmal etwas anderes als die immer gleichen Ermittlerpaare. Doch die Figuren bleiben meines Erachtens dennoch zu unausgeformt und farblos. Sie tragen ihre Toten mit sich herum, sprechen mit ihnen, sind von Albträumen geplagt, versuchen sich am Alltag und bleiben literarisch stecken. Sie sind trotz allem Andersartigen viel zu langweilig, wachen nur kurzzeitig auf, wenn eine schöne Frau auftaucht. Dann kaufen sie sich einen neuen Anzug. Bleiben wieder stecken. Reden wieder mit den Toten. So what?

Die Atmosphäre des ländlichen Rumäniens mit seinen teils schrulligen Einwohnern plastisch herzustellen und rüberzubringen, gelingt nur teilweise. Ich sehe die Landschaft nicht, rieche sie nicht, fühle sie nicht. Nicht einmal das stille Prenzin, dicht vor meiner Haustür, mit seiner unglaublichen Schönheit, Lieblichkeit und seinem alten Charme, ersteht vor mir. Nur die riesigen Traktoren sehe ich und rieche ich. Immerhin!

Die Dialoge sind natürlich, aber keinesfalls prickelnd, und die Handlung ist kompliziert. Dennoch mag ich es, dass sie ohne Brutalität daherkommt und Oliver Bottini sich vom herkömmlichen platten Kriminalroman durchaus dadurch unterscheidet, dass er sich ans Zeitgeschehen gebunden hat. Leider können die Protagonisten nicht mithalten.

Die Lösung des Falls schließlich wird psychologisch nicht aufgedröselt. Hier ist der Täter. Das ist eben so. Punktum. Das ist mir zu platt nach der umständlichen Vorgeschichte. Man hätte sich intensiver in die Täterperspektive einarbeiten müssen und mit einem gloriosen Showdown aufwarten müssen. Wo ist sonst die Belohnung für 400 Seiten geduldigen Lesens und allerhand Langeweile?

So scheint mir „Der Tod in den stillen Winkeln des Lebens“ bei aller Aufklärung der Machenschaften ausländischer Investoren und über die Ausweitung der Monokultur in der Landwirtschaft und seiner verheerenden Folgen doch eher aus Zufall ein Kriminalroman geworden zu sein denn aus Leidenschaft. Das ist die Kritik: Leidenschaft und Aura fehlen.

Fazit: In Rumänien läuft es nicht rund. Gut zu wissen. Ich bleibe zuhause.

Kategorie: Kriminalroman / Deutscher Krimipreis 2018
Verlag: Dumont, 2017