Rezension

Innere Verbundenheit...

Der Näher - Rainer Löffler

Der Näher
von Rainer Löffler

Bewertet mit 4 Sternen

~~Martin Abel, Fallanalytiker beim LKA Stuttgart, muss nach Gummersbach – zu einem vermeintlichen Cold Case. Zwei Frauen sind verschwunden, haben Abschiedsbriefe hinterlassen. Abel sieht Ungereimtheiten, stößt aber bei der lokalen Polizei auf wenig Gegenliebe. Bei dem Ehemann einer der Frauen hätte man jedes Verständnis für ihren Ausbruch aus dem bisherigen Leben – doch dann wird eine dritte Frau vermisst gemeldet. Die Suche nach ihr führt an einen Ort des Schreckens. Was mit einer einbetonierten mumifizierten Frau beginnt, die kurz zuvor entbunden hat und noch im Todeskampf versuchte, ihr Baby hoch über den Beton zu halten, kann kaum gut weitergehen…

Autor Rainer Löffler variiert in diesem Buch die Perspektiven – wir lesen aus der Sicht von Abel und seinem Umfeld, aus der Sicht des Täters und aus der der Opfer. Reizvoll ist dabei, dass man hier nicht zu einem Erkenntnisvorsprung kommt – man kann selbst mitgrübeln, sonst eher krimitypisch, was mir gefällt. Nicht falsch verstehen: das hier IST ein Thriller, und zwar einer für die Leser, die sonst Cody McFadyen mögen, Criminal Minds, Ethan Cross oder Dania Dicken – dort wo eine Auswahl besteht, bei den krankeren Folgen…wobei es hier, soviel darf ich spoilern für die, die dabei empfindlich sind, KEIN Schwelgen in sexuellen Übergriffen gibt. Hier findet das Grauen im Kopf des Lesers statt, wenn man das Ergebnis der kranken Phantasie vor sich sieht oder die Planung des Täters verfolgt oder seine Träume (mit) analysiert.

 Ich kann Abel richtig gut leiden, auch die Informationen über seine Arbeit machen Freude. Er erklärt seine Aufgabe als Faktenvergleichen, zum Beispiel durch Dateneingabe in die Datenbank – und verstört damit zu Beginn den „Criminal Minds“-gewohnten BKA-Nachwuchs: „Und was ist mit den Erkenntnissen, die man dadurch erzielt, sich in die Gedankenwelt eines Serientäters hineinzuversetzen?“ S. 22. Er hasst diese Frage. Typische Psychologiestudenten. Mit Auszeichnung. Was denn sonst. „Wenn sie das Gefühl haben, auch stark genug für die Empfindungen der Opfer zu sein, dann können wir heute Nachmittag mit den Aspekten der Täter-Opfer-Beziehung fortfahren.“ S. 26 Abel ist schon so eine Type. Seine Freundin und Kollegin sähe ihn gerne mit etwas gesünderen Verhaltensweisen, da überlegt er dann abends: „Er könnte ja ausnahmsweise mit etwas Vegetarischem beginnen. Eine Pizza Funghi zum Beispiel oder Pommes rot-weiß.“ S. 207

 Der Fall selbst ist richtig krank – also, nicht falsch verstehen, ich lese ja sowas. Ich hätte das nur etwas leichter genommen, wenn nicht Schwangere und Babys und Tiere betroffen wären – bei DIESEN Opfern ist bei mir die Grenze, auch, wenn das megaspannend geschrieben ist und ich zugegebenermaßen an den Seiten klebte.

 Es gibt ein paar minimale Logikfehler – keine schlimmen, eher die Sorte, die vielleicht ein Lektor hätte bemerken können; so kommt man kaum nach der Arbeit (also eher werktags und abends) von Wiesbaden, Äppelallee, in zwei Stunden mit dem Auto nach Freiburg. Und wer war noch zum Ende mit der Ärztin zusammen? Sowas an „Kleinvieh“ halt…keine groben Schnitzer, keine unglaubwürdigen Charakteränderungen (obwohl die des einen Opfers anfänglich so hätte erscheinen können, aber richtig gut aufgelöst wurde – von der Sorte geschickter Handlungsführung gibt es mehr, ich sage nur, Tattoos auf den Fingern, quer über das komplette Buch).

 Ich konnte das Buch ohne jegliche Vorkenntnisse der zwei Vorbände lesen – aber ich glaube, ich will mehr.