Rezension

Inspirierend!

Das große Los - Meike Winnemuth

Das große Los
von Meike Winnemuth

Bewertet mit 5 Sternen

Meike Winnemuth schreibt nicht kühl elegant oder verhalten wie es einer Norddeutschen zukäme, sondern so, wie sie vermutlich ist, so wie sie auch ist, bzw. so, wie sie in diesem einen besonderen Jahr ihres Lebens geworden ist, impulsiv.

Ich mag Reiseberichte, nicht 08/15 Reiseberichte, sondern solche, in denen man die Personen spürt, die ein Abtenteuer erlebt haben. Und ich habe Meike Winnemuth in ihrem Reisejahr durch 12 aufregende Städte und ein bisschen Landhintergrund in Äthiopien, wo sie die Stadt verlassen hat, gespürt.

Sie hat witzige und sinnreiche Resümées gezogen über die Leute, die sie traf, über die Orte, die sie betrat bzw. in denen sie jeweils einen Monat lebte, und über sich selbst. Sie hat sich neu erfunden, nein, stimmt nicht, sie hat herausgefunden, herausgelassen was in ihr schon angelegt war, aber verschüttet, verborgen, vergraben, überdeckt vom Alltag. So hat sie am Ende des Abschnitts über die jeweilige Stadt, 10 Punkte aufgelistet, was diese Städte sie gelehrt haben (Sydney, Buenos Aires, Mumbai, Shanghai, Honolulu, San Francisco, London, Kopenhagen, Barcelona, Tel Aviv, Addis Abeba und schliesslich Havanna). Neben Reiseberichten mag ich auch Listen, kein Wunder, dass ich Meikes Buch ins Herz geschlossen habe. Und zurück in 56 Tagen auf einem Frachter nach Hamburg ohne Internetzugang, Handy oder anderen technischen Schnickschnack.

Sie hat nicht nur Ferien gemacht, also gefaulenzt, obwohl sie das auch wieder neu gelernt hat, besonders in Honolulu, wo sie sich bei zugezogenen Vorhängen am helllichten Nachmittag amerikanische Fernsehserien reingezogen hat, sondern ihre Privilegien sinnvoll genutzt, die sie als freischaffende Journalistin hat und von unterwegs gearbeitet, - also alles wie immer – nur viel effizienter und schneller, meint sie, wenn man sich im Bikini vor den Laptop setzt, denn das motiviert ungemein, mit der Arbeit fertig zu werden. Auch Ideen schossen ihr leichter durch den blonden Kopf. Ja, auch die Arbeit hat sie wieder als Spaß begriffen.

Dass sie privilegiert ist, wird ihr bewusst. So richtig bewusst in Mumbai/Indien, aber auch bewusster, dass sie selbst in Deutschland mit einer guten Gesundheit und Herkunft ausgestattet, einem Beruf nachgeht, der ihr quasi Grosszügigkeit garantiert, wenn man bereit ist, ein bisschen was zu wagen – „das Geld vom Jauch hätte ich gar nicht gebraucht“. Obwohl es ihren Plan ein Jahr lang durch die Welt zu reisen, in Gang brachte.

Nicht alle Gedankengänge konnte ich adaptieren, aber manche liessen mich einfach schmunzeln, es sind bekannte darunter solche wie „love it, change it or leave it“, witzige Erkenntnis auf Kuba „weltweit nerven Männer mehr als dass sie nicht nerven“ und lebenskluge, "gib allem eine fünfte Chance" sowie eine grundsätzlich dankbare, positive Grundeinstellung als Religionsersatz.

Zurück in der Heimat fragt sie sich, ob das denn nun Heimat sei, oder nur eine von vielen Möglichkeiten. Das hat sie nicht definitiv für sich beantwortet. Solange sie es noch nicht genau weiß, lebt sie nach dem Motto: Fake it till you make it. Es kann aber sein, dass sie inzwischen doch nach San Francisco gezogen ist. Ihr Reise hört nie auf ..., "es hat gerade erst begonnen", meint sie. Ein schönes Fazit. Denn man lebt, solange man lebt und sollte tatsächlich nicht vorher damit aufhören.

Dieses Buch ist ein sehr individueller Reisebericht einer taffen Frau mittleren Alters, die viel Begeisterung in ihr Leben und diese Reise legte, die alleine loszog, aber nie unfreiwillig alleine war, die sich einließ in alles, was möglich war und es sicherlich immer noch tut. Es ist kein Reiseführer und dennoch erfährt man einiges von dem, was man wissen möchte und einiges von dem, wovon man nicht gedacht hat, dass man es wissen wollte – und hat mir ungemein gut gefallen!

Fazit: Wie sagt man so schön: Ich habe dieses Buch verschlungen! Es war mir ein Vergnügen, Frau Winnemuth, mit Ihnen unterwegs zu sein!