Rezension

Interessant, aber nicht überragend

Blinder Feind
von Jeffery Deaver

Bewertet mit 3.5 Sternen

Noch vor wenigen Stunden ahnte die New Yorker Büroangestellte Gabriela McKenzie nicht, dass ihr Leben bald einem Alptraum gleichen würde. Doch jetzt ist ihr Chef verschwunden, und ein skrupelloser Gangster verlangt von ihr eine halbe Million Dollar und die Herausgabe der mysteriösen »Oktoberliste« – sonst stirbt ihre kleine Tochter. Helfen kann Gabriela nur der attraktive Daniel Reardon, der Erfahrung mit Entführungsfällen hat. Kurze Zeit später befinden sich die beiden auf der Flucht – und niemand weiß, wer am Ende mit dem Leben davonkommen wird …

Deaver genießt einen äußerst guten Ruf und dennoch muss ich gestehen, dass ich bis jetzt noch kein Buch von ihm gelesen hatte. Dementsprechend geringe Erwartungen hatte ich, weil ich es nicht mit einem anderen Werk von ihm vergleichen könnte.
Er gilt ja als einer der weltweit besten Autoren des intelligenten psychologischen Thrillers. Diesem Urteil kann ich mich nur anschließen, da dieses Buch kein Buch für nebenbei ist. Man selbst muss vollkommen konzentriert sein, um auch wirklich alles zu verstehen.

Das liegt nicht zuletzt daran, wie dieser Thriller aufgebaut ist: hier wird die Handlung nämlich rückwärts erzählt, das heißt, es kommt schon am Anfang zum großen Showdown und erst am Ende zu der wirklichen Entstehung des Konfliktes. Am Anfang war das ziemlich komisch und gerade weil ich noch nie ein Buch von Deaver gelesen hatte, fragte ich mich, ob das hier möglicherweise eine Fortsetzung von irgendeinem Buch war, das ich nicht kenne.
Aber diese Missverständnisse legten sich glücklicherweise recht schnell und dementsprechend gut konnte ich in die Welt abtauchen.

Normalerweise ist es bei mir mit Thrillern immer so, dass ich vom Ende enttäuscht bin, weil ich mir mehr erhofft hatte. Auch hier war das so, was schon beinahe skurill ist, wenn man sich überlegt, dass am Ende der Anfang steht. Mit so etwas hätte ich selbst niemals gerechnet und frage mich immer noch, wie das eigentlich möglich sein kann.

Interessant ist auch, dass keine Figur in diesem Roman sonderlich sympathisch ist, weshalb eine Identifikation mit dem Geschehen völlig ausgeschlossen ist. Man selbst bleibt eher so der stille und stumme Beobachter aus weiter Ferne. Die einzige Person, die mir irgendwie ans Herz wuchs, war Sarah, aber auch bei ihr ist nicht alles so, wie es scheint. Allgemein könnte man das Buch wohl am besten mit den Worten "nichts ist so, wie es scheint..." charakterisieren, weil gerade dies den Zauber des Buches ausmacht.

Insgesamt war das Buch ganz nett, konnte mich soweit auch unterhalten, aber eben leider nicht vom Hocker hauen. Die Charaktere waren mir zu fad und auch der Schreibstil konnte mich leider nicht vollkommen überzeugen. Dennoch bin ich froh, dieses Buch gelesen zu haben, weil diese Technik "von hinten nach vorne" irgendwie etwas hat, auch wenn sie viel Aufmerksamkeit erfordert.