Rezension

Interessant und verwirrend

Nach einer wahren Geschichte - Delphine de Vigan

Nach einer wahren Geschichte
von Delphine de Vigan

Delphine ist eine erfolgreiche Schriftstellerin, die mit ihrem letzten Buch, einer wahren Geschichte über ihre Mutter schrieb. Mit diesem Buch hat sie sehr viel Aufsehen erregt, vor allem im positiven Sinne, da viele Leser gerade wegen der Realität und der Echtheit dieses Buch mochten.

Auf einer Party lernt die eher zurückhaltende Delphine eine Frau namens L. kennen. Delphine ist von der klugen und eleganten L. sofort fasziniert, die als Ghostwriterin arbeitet. L. drängt in ihr Leben und sorgt dafür, dass sie sich immer öfter und regelmäßig sehen, zu engen Freundinnen werden.

L. kritisiert den Wunsch von Delphine, die gerne ihr nächstes Buch als fiktiven Roman schreiben möchte. L. versucht sie zu überzeugen, dass nur die Realität und eine wahre Geschichte bei den Lesern ankommt und sie begeistert, und kein Mensch mehr fiktive Sachen lesen will.

Delphine wird dadurch verunsichert und fällt in eine schwere Krise und Depression. Sie entwickelt sogar eine völlige Schreibphobie, sie kann sich nicht einmal mehr vor ihren Computer setzen, ohne dass ihr übel wird, geschweige denn einen Stift in die Hand nehmen.

L. zieht bei Delphine ein, übernimmt alle anfallenden Arbeiten, beantwortet Delphins Emails, das Absagen von Veranstaltungen und Interviews sowie das Vertrösten des Verlages, der auf einen neuen Roman wartet. Und L. schreibt Emails an Delphins Freunde, die sie doch bitte in Ruhe lassen mögen, da sie an einem neuen Buch arbeitet. All dies in Delphins Namen, ohne dass jemand weiß, dass diese ganzen Nachrichten gar nicht von Delphine stammen, sondern von L., die niemand kennt. L. sorgt dafür, dass weder Delphins Kinder, ihre Freunde noch ihr Partner Francois sie je zu Gesicht bekommen.

Eines Tages fällt Delphine auf, dass L. ihr immer ähnlicher wird. Sie kleidet sich genauso wie sie, sie bewegt sich genauso wie sie. Schließlich ist Delphine aber der Meinung, sie würde sich all dies nur einbilden. Bis es dann durch verschiedene Ereignisse zur Eskalation kommt und Delphine sich plötzlich in großer Gefahr befindet.

Der Schreibstil der Autorin war für mich nicht ganz flüssig zu lesen, anspruchsvoll, und durch lange und verschachtelte Sätze musste ich viele Passagen mehrmals lesen.

Delphine kam mir oft etwas unbeholfen, naiv und exzentrisch vor, was ihre Sichtweise auf L. noch untermauerte. Sie fand in und an L. die Dinge, die sie bei sich selbst vermisste.

Sehr interessant zu verfolgen war das Thema um Fiktion oder realem Erleben. Ist es wirklich so, dass Leser nur noch auf wahre Geschichten fixiert sind und keine fiktiven mehr lesen wollen? Und stimmt es, dass Fiktion und Wahrheit nur zusammen existieren, weil bei der Wahrheit immer etwas Fiktion und bei der Fiktion immer persönliche und reale Dinge des Autors mit einfließen?

Und natürlich auch interessant das Verhalten und die Persönlichkeit von L., bei der man immer ahnte, dass sie etwas Böses im Sinn hat, es aber nicht exakt benennen konnte. Ich schwang als Leser, genauso wie Delphine, mit den Vermutungen hin und her, ob L. nun wirklich böse ist und schlimme Hintergedanken hat oder bildete man es sich nur ein und sah in manchen Dingen Bösartigkeiten, die gar nicht vorhanden waren.

Delphine äußert in diesem Buch, bei einer Lesung von Lesern darauf angesprochen, dass sie fest davon überzeugt sei, dass ein guter Autor eine fiktive Geschichte als wahre Geschichte den Lesern verkaufen und sie somit täuschen könne. Daraufhin fragt man sich als Leser natürlich sofort, ob dieses Buch, „nach einer wahren Geschichte" nun wirklich passiert ist, oder ob sich die Autorin einen Spaß gemacht hat, und alles Geschehene irreal und fiktiv ist und sie sich alles nur ausgedacht hat, um den Leser wirklich zu täuschen und ihm dieses Buch als reale, wirklich geschehene Geschichte zu verkaufen.

Fazit:

Ein anspruchsvoller, interessanter, verwirrender und undurchschaubarer Roman, der mir viel Lesevergnügen bereitet hat.