Rezension

Interessante Biografie über zwei besondere Frauen

Sprechende Hände
von Joseph Lambert

Bewertet mit 4 Sternen

In dieser Graphic Novel illustriert Joseph Lambert das Leben der jungen Lehrerin Annie Sullivan. Ihre Schülerin ist die sechsjährige Helen Keller, die seit ihrem zweiten Lebensjahr taubblind ist. Schafft Annie es, dieses Mädchen, das nie sprechen lernen konnte mit Hilfe des Fingeralphabets aus seiner Isolation zu befreien und ihr die Welt verständliche zu machen?

Das Besondere an der Umsetzung von „Sprechende Hände“ ist nicht, dass sie besonders ästhetisch oder gestalterisch anspruchsvoll ist – beides ist sie meines Erachtens nämlich nicht. Sondern wie Lambert es schafft, den Leser in die Welt der taubblinden Helen einzuführen. Diese einfachen, groben, dunklen Bilder, die er dazu nutzt, haben mir an der Graphic Novel am besten gefallen. Sich als sehender, hörender und sprechender Mensch in Helens Situation hinein versetzen zu könne ist schon schwer genug. Lamberts Zeichnungen helfen dabei sehr!

Es geht aber nicht nur um die – vor allem zu Beginn fast aussichtslose - Zusammenarbeit von Annie und Helen. Auch aus Annie Sullivans Kindheit wird in Rückblicken erzählt. Wie sie nur mit ihrem Bruder im Armenhaus zwischen Kranken, Verrückten und Sterbenden lebte. Oder über ihre Schulzeit, in der das störrische und verletzliche Mädchen große Schwierigkeiten hatte, sich an Regeln und Vorschriften zu halten. Diese Rückblenden hätte Lambert allerdings deutlicher gestalterisch kennzeichnen können. Auf jeden Fall wird so deutlich, warum Annie so eine Wut und ein grundsätzlichen Misstrauen in sich trägt. Annies Geschichte macht ihre Beziehung zu Helen noch einmal mehr zu etwas besonderen.

Annie Sullivan war für mich aufgrund ihrer rauen Art keine durchweg sympathische Person, aber definitiv eine sehr interessante! Ihr Durchhaltevermögen und ihre Willensstärke sind beeindruckend und der Erfolg ihrer Schülerin, die bald neben dem Fingeralphabet auch Braille lesen, „richtig“ schreiben kann und mehrere Sprachen beherrscht, gibt ihr recht. Auch, dass Lambert teilweise den originalen Wortlaut aus Annies Briefen in die Geschichte einbaut oder den ersten Brief wiedergibt, den Helen geschrieben hat, hat mir sehr gefallen. Ein paar Hintergrundinfos zu Charakteren und Schauplätzen am Ende der Graphic Novel runden die Geschichte ab.

Insgesamt fand ich die Geschichte von Annie und Helen sehr sehr interessant. Auch ihre Beziehung ist rührend beschrieben. Kleiner Minuspunkt war für mich die etwas einförmige Umsetzung bei der vergangenes und aktuelles Geschehen nicht klar genug getrennt wurden. Wenn es um „Helens Welt“ geht habe ich an der Gestaltung rein gar nichts auszusetzen. Ein wenig mehr von dieser künstlerischen Freiheit hätte ich mir aber auch in der Welt der Sehenden gewünscht. Hier folgt fast ausschließlich Bild auf Bild auf Bild. Lambert kann definitiv mehr. An der interessanten Geschichte und der innovativen illustration der Welt eines blinden Mädchens ändert das aber nichts. "Sprechende Hände" ist eine gelungene Biografie, die Lust macht, sich ausführlicher mit Helen Kellen und Blindenbildung auseinanderzusetzen und das rechne ich Lambert hoch an.

Kommentare

wandagreen kommentierte am 03. Oktober 2017 um 20:15

Tolle Vorstellung. Taubstumm und blind zu sein, das ist der Albtraum schlechthin.

katzenminze kommentierte am 04. Oktober 2017 um 16:58

Auf jeden Fall. Aber sprechen hat sie dann noch gelernt soweit ich weiß. Das wird nur kurz angerissen.

LySch kommentierte am 04. Oktober 2017 um 15:55

Das klingt echt soo gut! :) Ich wende mich für Graphic Novel Tipps jetzt immer an dich, Minzi! ;)

katzenminze kommentierte am 04. Oktober 2017 um 16:56

Total gerne! :) :) Ich bemühe mich auch, mich stetig fortzubilden. ;)