Rezension

Interessante, bunte und gefühlvolle Geschichte

Fliegenpilze aus Kork - Marie Luise Lehner

Fliegenpilze aus Kork
von Marie Luise Lehner

Ein Mädchen erzählt ihr Leben und Erleben mit ihrem Vater, bis sie 20 Jahre alt ist. Als sie 2 Jahre alt ist, trennen sich ihre Eltern. Sie verbringt trotzdem viel Zeit bei ihrem Vater. Sie streunen durch Wien, lassen sich nachts im Park einsperren, stehlen Elektrogeräte auf dem Müllplatz, sammeln Kupferleitungen auf Baustellen. Schon als kleines Kind begleitet sie ihn zu seinen Gelegenheitsjobs und je älter sie wird, hilft sie ihm bei der Arbeit. Manchmal ist er arbeitslos, manchmal Bildhauer, Sozialarbeiter oder Hausmeister. Oftmals hat er kein Geld und nichts zu essen zu Hause.

Ihr Vater ist ein Lebenskünstler, der beziehungsunfähig scheint, Gelegenheitsjobs annimmt, oft kein Geld hat, sich durchschnorrt, kleinere Delikte unternimmt, um zu Überleben. Er ist sehr bemüht um seine Tochter, er geht mit ihr ins Theater und zu anderen Veranstaltungen. Er fährt mit ihr zur Großmutter und Großtante. Je älter das Mädchen wird, umso mehr merkt sie, dass ihr Vater nicht so ist, wie andere Väter. Sie schämt sich manchmal für sein Verhalten oder seine Anziehsachen. Sie nimmt schon früh Rücksicht auf sein Befinden und seine Lage. Aber sie sagt trotz alledem, ihr Vater ist ein sehr guter Vater. Später als sie älter ist, hat man das Gefühl, sie ist die Erwachsene und kümmert sich um ihn. Er hatte zwischenzeitlich eine andere Beziehung, aus der sie eine Schwester bekam. Auch diese Beziehung zur Mutter seiner zweiten Tochter zerbricht und sie trennen sich. Die Schwester des Mädchens verweilt nun auch zeitweise beim Vater und so unternehmen sie verschiedene Dinge zu dritt.

In knappen und dichten Episoden erzählt Marie Luise Lehner in ihrem Debütroman die ersten zwanzig Jahre aus dem Leben einer Frau. Mit einer kindlichen Leichtigkeit geschrieben, erlebt man die Kindheitsjahre des Mädchens mit ihrem Vater. Ihre Unternehmungen, ihr Erleben und wie sich ihre Gedanken und die Sichtweise auf ihren Vater sich ändern, je älter sie wird.
Ihr Vater ist nicht so, wie andere Väter sind. Ich weiß nicht, ob er eine psychische Erkrankung hat, ob es einfach nur sein künstlerischer Charakter ist, der ihn teilweise wirken lässt, als würde er mit dem normalen Leben überfordert sein, wie Geldverdienen, eine Festanstellung annehmen. Das alles kann er nicht. Er schlägt sich mit Gelegenheitsjobs durch und ist oft auch längere Zeit arbeitslos. Künstler sind für mich Freigeister, die teilweise in ihrer eigenen Welt leben und sich nicht darum kümmern, was andere Leute sagen und Dinge tun, wie sie gerade Lust haben. Der Vater dieses Mädchens bemüht sich wirklich um sie und ihre kleinere Schwester. Er tut alles, was in seinen Möglichkeiten liegt, und die Mädchen lieben ihn sehr. Das hat mich am Ende am meisten gefreut, dass sie ihn so akzeptieren und lieben, wie er ist.

Fazit:
Ich bin anfangs nicht so leicht in diesen Roman hineingekommen. Umso begeisterter war ich beim Weiterlesen und bedauerte es sehr, dass ich so schnell am Ende angekommen bin. Marie Luise Lehner hat es geschafft, mich auf eine Kindheitsreise einer jungen Frau mitzunehmen, ihre Beziehung und ihr Leben mit ihrem Vater ausgiebig und bunt zu erleben und mitzuerleben, wie das Mädchen älter wird und wie sich ihr Verhalten und ihre Sichtweise ändern.
Ein wunderschöner, bunt, leicht und flüssig geschriebener Roman, in den man eintauchen und mitfühlen kann. Nicht nur der Inhalt ist wunderschön, sondern das ganze Buch ist sehr liebevoll und kunstvoll gestaltet. Nicht nur der Außenband ist kunstvoll bedruckt, sondern das Buch selbst auch. Zusätzlich mit einem Lesebändchen ausgestattet ist es ein kleines Kunstwerk, inhaltlich wie äußerlich.
Ein interessanter, bunter und gefühlvoller Roman, der mich sehr beeindruckt hat.