Rezension

Interessantes, aber leider langatmiges Teenie-Drama

Love Letters to the Dead
von Ava Dellaira

Bewertet mit 3 Sternen

Tod, Verlust, sexueller Missbrauch, Gewalt – darum drehen sich momentan ziemlich viele Veröffentlichungen für halbstarke Leser(innen). So auch der Debütroman der Amerikanerin Ava Dellaira Love Letters to the Dead.

Die 14-Jährige Laurel erhält im Englischunterricht die Aufgabe, einen Brief an eine verstorbene Persönlichkeit zu schreiben. Sie schreibt einen sehr vertraulichen Brief an Kurt Cobain, den Lieblingssänger ihrer großen Schwester, die im vergangenen Jahr ebenfalls starb. Den Brief gibt sie nicht ab, kassiert lieber eine schlechte Note. Die Aufgabe weckt aber die Lust daran, Briefe an Tote zu schreiben. Das ganze Schuljahr über verfasst das traumatisierte Mädchen, das sich selbst die Schuld am Tod seiner Schwester gibt, lange Monologe an Kurt Cobain, Janis Joplin, Heath Ledger, River Phoenix, Amelia Earhart, Amy Winehouse, Judy Garland, John Keats und Jim Morrison. Dichter, Schauspieler, Sänger, Pioniere, die sie aus dem Unterricht, von Filmvormittagen mit ihrer Schwester oder durch ihre neuen Freunde kennt. Ihnen öffnet sie sich Stück für Stück. Erzählt ihnen von ihren Eindrücken, ihrer ersten Liebe, ihren kindlichen Ängsten, von der gescheiterten Ehe ihrer Eltern, von glücklicheren Tagen und schlussendlich von den Ereignissen, die ihrer Ansicht nach zum Tod ihrer Schwester führten.

All das zieht sich teilweise recht zäh über 416 Seiten hinweg. Die Autorin legt Laurel sehr stimmiges Teenie-Geschwätz in den Mund. Ihr altersgerechter Schreibstil erinnerte mich stark an die Tonalität meiner Tagebücher. Als ich 14 Jahre alt war, sahen meine Texte sehr ähnlich aus. Ich wusste auch nicht wer ich bin. War mitten in pubertärem Gefühlschaos. Hin und her gerissen zwischen fröhlichem Mädchen und schwermütiger, alleswissender Jugendlichen. Wenn ich auch nicht annähernd so schlimme Erfahrungen machen musste, wie die Protagonistin, ich ein grundsätzlich heiles Familienleben besaß, fühlte sich meine Welt dennoch häufig zerstört an. Diese grundlegenden Sorgen, Ängste, Ansichten, Zweifel teilen sich wohl die allermeisten Heranwachsenden in Wohlstandsgesellschaften.
So fand ich es nicht unrealistisch, dass sich Laurel an Außenseiter, Selbstmörder, Verlorene und Dichter wendet, um ihren jugendlich-philosophischen Sermon loszuwerden. Judy Garland und River Phoenix kennt sie aus Filmen, die ich mit meinem Sohn bestimmt auch schauen werde, wenn er alt genug ist. Joplin, Cobain, Morrison von ihrer traurigen Schwester und ihren neuen, individuell geprägten Freunden. Laurel gehört nicht zu den Coolen, sie ist eine nachdenkliche Einzelgängerin, die sich an ihrer neuen Schule ebensolche Freunde sucht. Solche Kids hören die zeitlosen Songs der jungen Wilden, der jungen Toten. Und solche Kids mögen im Zweifel auch Gedichte. Ich kann mir gut vorstellen, dass sich ähnlich gestrickte Jugendliche mit Laurel identifizieren können. Vielleicht weckt die Lektüre ihre Neugierde. Vielleicht hören sie sich Songs von Künstlern an, von denen sie noch nie gehört haben. Vielleicht gibt die Musik ihnen dann so viel, wie sie anderen vor ihnen gab. Ich fände es schön, denn alle Adressaten der Briefe sind interessante Persönlichkeiten, deren Werk und Handeln Menschen berührte.

Den Aspekt der Selbstfindung über das Gespräch mit bekannten, toten Persönlichkeiten fand ich interessant und passend. Allerdings nervte mich das (authentische) Gefasel streckenweise schon sehr. Das Mädel kam einfach nicht zum Punkt. Immer wieder deutet sie schicksalsschwer die ihr widerfahrende Tragödie an, schleicht hunderte von Seiten wie eine Katze um den heißen Brei herum. Was hinter dem Ganzen steckt, ist dann auch nicht so schwer zu erraten.
Laurels Briefe zu lesen war interessant. Wirklich nahe gingen sie mir aber nicht. Vielleicht auch deshalb nicht, weil es allen in Laurels Umfeld mies geht. Ihre neuen Freunde kommen alle aus zerrütteten, traurigen Familien, haben alle ihr Päckchen zu tragen. Es fehlt ein Gegengewicht. Wenn es allen schlecht geht, wirkt das einzelne Übel eigentlich gar nicht mehr so schlimm.

Mit seiner einfachen, jugendlichen Sprache und seiner authentischen Protagonistin mit altersgerechten Problemen empfehle ich Loveletters to the Dead Leserinnen ab zwölf Jahren. Erwachsenen, die sich nicht mehr an die Verzweiflung ihrer Pubertät erinnern können, rate ich eindringlich von der Lektüre ab.