Rezension

Interessantes Gedankenspiel

Dark Matter. Der Zeitenläufer
von Blake Crouch

Bewertet mit 4 Sternen

Jason Dessen lebt ganz zufrieden mit seiner Frau Daniela und Sohn Charlie, Daniela und er haben sich gegen ihre Karriere und für ihr Familienleben entschieden – und nur manchmal kommt der Gedanke, was wäre gewesen, wenn sie eine andere Entscheidung getroffen hätten.

Eines Tages hat Jason ein Erlebnis, das ihm die Erkenntnis bringt, aber auch fast dafür sorgt, dass er seine Familie für immer verliert.

Warum der Untertitel des Romans „Der Zeitenläufer“ heißt, erschließt sich mir nicht, denn Zeitreisen sind nicht das Thema des Romans. Das Thema ist vielmehr, wie man auch schon dem Klappentext entnehmen kann, die Möglichkeit von Parallelwelten. Schrödingers Katze treffe ich in letzter Zeit öfter an, sowohl in Romanen, als auch in Filmen und Serien, auch der Autor kommt hier schon recht früh auf sie zu sprechen.

Wer hätte sich nicht schon einmal gefragt, was wäre, wenn … ich dies oder jenes nicht getan hätte, ich mich damals anders entschieden hätte. Vielleicht aber gibt es ja eine Welt, in der mein Leben ganz anders verlaufen ist, weil ich dies oder jenes nicht getan habe, weil ich mich anders entschieden habe. Bin ich dort glücklicher – oder hier? Jason jedenfalls bekommt die Gelegenheit, sich in einer Welt zu erleben, in der er sich anders entschieden hat.

Sehr spannend erschien mir das, als ich den Klappentext gelesen habe, und sehr spannend war auch die erste Hälfte des Romans. Dann waren die Weichen gestellt, es war ungefähr klar, wohin die Geschichte geht, und für mich verlor sie damit ihren Schwung. Denn die Richtung, in die sie sich entwickelte, fand ich nicht mehr ganz so interessant. Nicht, dass sich die Geschichte nicht immer noch spannend und zügig lesen ließ, es war nur für mich kein Wow-Effekt mehr da. Leider ist es schwierig, genauer darauf einzugehen, ohne zu spoilern. Ich hätte einfach gerne mehr Hintergründe erfahren, wäre lieber etwas mehr von Jason weggegangen, vor allem hätte ich es nicht gebraucht, dass der Fokus allzusehr auf seiner privaten Beziehung liegt. Mich hat das Thema allgemein interessiert, weniger das spezielle, das sich um Jason dreht.

Nicht, dass mir Jason unsympathisch ist oder ich nicht mit ihm mitfühlen kann. Die zweite Hälfte des Romans hat meine Erwartungen einfach nicht mehr erfüllt. Trotzdem habe ich den Roman nicht unzufrieden zugeklappt, und gerade das Ende gefällt mir wieder richtig gut, es wird sicher auch manche Erwartungen nicht erfüllen, aber genau deswegen finde ich es gut.

Erzählt wird größtenteils von Jason selbst im Präsens, so dass man als Leser nah beim Geschehen ist. Nur hin und wieder wird Jasons Perspektive durch eine andere unterbrochen, die in der dritten Person erzählt wird. Außer Jason gibt es keinen Charakter den man wirklich gut kennen lernt, das ergibt sich aber einfach aus der Geschichte und der Erzählstruktur. Notwendige wissenschaftliche Informationen werden nur im benötigten Maße eingeflochten, das macht der Autor wirklich sehr gut, der Roman hat zwar einen wissenschaftlichen Hintergrund, der Leser wird aber nicht von diesem erschlagen und muss auch nicht seitenlang Fachchinesisch lesen. Mir erscheint der Roman in sich logisch, hin und wieder erschließt sich das aber erst mit etwas Nachdenken.

Bis zur Hälfte war der Roman für mich ein glatter 5-Sterne-Kandidat, da mich die zweite Hälfte aber nicht mehr so fesseln konnte, gebe ich nur 4 Sterne, verknüpfe diese aber auf jeden Fall mit einer Leseempfehlung. Wen das Gedankenspiel „Was wäre wenn ...“ interessiert, bekommt hier einen spannenden Roman, der Stoff zum Nachdenken bietet. Die Filmrechte sind übrigens bereits verkauft, der Film soll 2018 in die Kinos kommen.