Rezension

Jeder braucht eine Ehefrau!

Die Ehefrau
von Meg Wolitzer

Bewertet mit 4 Sternen

In Die Ehefrau erzählt Meg Wolitzer die Geschichte von Joe und Joan Castelman. Nach 40 Jahren Ehe reflektiert Joan ihre Beziehung, in die sie eigentlich fast hineingestolpert ist. Bald nach dem holprigen Start ihrer Beziehung beginnt Joes Aufstieg zum gefeierten Autor und damit ihre Rolle als Frau eben dieses berühmten Mannes. Welche Opfer hat sie für seine Karriere gebracht? Wann hat sich die Bitterkeit in die Ehe geschlichen, die doch am Anfang so gut lief?

Die Geschichte beginnt in den 50er Jahren. Passend dazu haben mir die Betrachtungen zu den Rollen von Mann und Frau sehr gefallen. Dazu den stark männerdominierten Literaturbetrieb als Beispiel zu nehmen passt. Wie in allen von Meg Wolitzers Romanen fand ich ihre bildhaften und detailreichen Beschreibungen großartig. Der bissig ironische Stil passte perfekt zur Geschichte. Und auch, wenn der Fokus fast ausschließlich auf Joe und Joan liegt, wirkten alle Nebenfiguren genauso echt und lebendig.

Erzählerin Joan mochte ich sehr gerne. Sie ist eine Figur die reift, die sich über das gesamte Buch hinweg entwickelt. Am Anfang noch das naive Mädchen, das für ihren Collegeprofessor schwärmt, wächst sie zu einer selbstbewussten, starken und klugen Frau heran. Dabei bleibt die aber immer „nur“ die Ehefrau des berühmten Schriftstellers Joe Castelman. Meg Wolitzer schafft es, dass man als Leser einerseits Joes schlechte Eigenschaften mitbekommt (Ok; Joan nimmt in dieser Hinsicht auch kein Blatt vor den Mund...), lässt ihm aber andererseits auch etwas sympathisches, liebenswertes. So kann man nachvollziehen, warum Joan bei ihm geblieben ist.

Die Länge des Romans ist sehr angenehm. Nichts zieht sich, nichts wird zu sehr ausgewalzt. Es ist einfach eine kompakt kleine Geschichte. Natürlich beschreibt Wolitzer viele Details der Ehe und viele unscheinbare Vorlieben Joes. Dinge, die nur einer Ehefrau auffallen. Für die Stimmung des Romans ist das absolut notwendig. Es sind nunmal die Details, die eine Beziehung ausmachen. Und die Beziehung von Joe und Joan fand ich sehr realistisch beschrieben.

Einen kleinen Abzug gibt es von mir, weil die Passagen in Helsinki von mir aus gerne ein bisschen kürzer hätten sein dürfen. Ich-Erzählerin Joan erzählt großartig. Die Preisverleihung in Helsinki war aber nicht ganz so bunt und lebhaft, wie der Rest ihrer Ehe. Den Wechsel zwischen Jetzt und Früher fand ich ansonsten sehr angenehm und flüssig umgesetzt. Nur war das „Früher“ eben interessanter. Und Joan zeigt sich in Helsinki – verständlicherweise, aber trotzdem - nicht von ihrer besten Seite. Sie wirkt schon sehr verbittert. Dabei ist sie eine so tolle, starke, kluge und reflektierte Frau. Das Bittere will ihr nicht so gut stehen.

Was Punktetechnisch aber noch schwerer wiegt: Ich fand die Geschichte leider zu vorhersehbar. Schon ab der Hälfte habe ich mir gedacht, es könnte doch sein, dass... Und so war es. Ein paar Andeutungen weniger, und der Überraschungseffekt am Ende wäre wesentlich größer gewesen.

Insgesamt hat mir Die Ehefrau sehr gut gefallen. Er las sich schnell und flüssig und Wolitzers Schreibstil liebe ich sowieso. Die kritischen Gedanken zur Ehe und zur Rolle von Mann und Frau habe ich sehr gerne gelesen. Ein kluges, bissiges und unterhaltsames Buch. An Die Interessanten kommt der Roman aber nicht heran.

Kommentare

wandagreen kommentierte am 29. Dezember 2017 um 22:42

Vllt sollte ich Die Ehefrau dann zuerst lesen, es ist besser, das Lesevergnügen zu steigern! Feine Rezi, Minzi.

katzenminze kommentierte am 31. Dezember 2017 um 17:08

Ja, das ist ein guter Plan! :)