Rezension

"Jeder will nach Amerika, Sir. Jeder."

Das geträumte Land - Imbolo Mbue

Das geträumte Land
von Imbolo Mbue

Bewertet mit 4.5 Sternen

In Amerika, Sehnsuchtsland vieler Einwanderer, will auch der Kameruner Jende Jonga und seine kleine Familie ein neues, besseres Leben beginnen. In New York findet er 2007 eine Anstellung als Chauffeur bei dem erfolgreichen Finanzmanager Edwards und er tut alles, um seinem Chef zu gefallen. Jendes Frau Neni kümmert sich nicht nur um den kleinen Sohn, sondern sie lernt in jeder freien Minute, um ein Pharmaziestudium beginnen zu können. Ein Aushilfsjob als Nanny während der Sommerferien bei Edwards Frau bessert die Familienkasse auf. Doch das kleine Glück wird von der angekündigten Abschiebung bedroht. Sorgen um den Job, ständige Geldnot und die Angst vor der Familie in Afrika das Ansehen zu verlieren, stellen Jende und Neni auf eine harte Probe.

Imbolo Mbue hat einen hochaktuellen Einwanderer-Roman zur Zeit der amerikanischen Finanzkrise 2008 und der Wahl Barack Obamas geschrieben. Das Schicksal  des Kameruner Einwanderers Jende Jonga und des Finanzmaklers von Lehman Brothers, Clark Edwards, wird miteinander verwoben. Gekonnt arbeitet die Autorin die Klassenunterschiede der beiden Familien heraus, ohne allzu viel klischeehafte Vergleiche zu bemühen. Das Erringen des lang erhofften lukrativen Jobs als Chauffeur wird durch eine leichte und humorige Stimmung unterstrichen. Die Edwards stehen für alles, was Jende sich erträumt hat. Sie scheinen den amerikanischen Traum zu leben und stehen für Wohlstand, Ansehen und ein harmonisches Familienleben. Jende fühlt sich wohl, plaudert mit seinem Chef, sorgt sich um dessen Frau und nimmt Anteil an deren Familienleben. Zukunftspläne werden geschmiedet und Geld für eine neue Wohnung zurückgelegt. Man spürt den Elan und die Kraft, die von Jende und Neni ausgehen. Sie verstehen es, ihre Kultur und Mentalität mit der neuen Lebensart zu verbinden. Dennoch geben sie ihre eigenen Wurzeln nicht auf, gehören zu einer kleinen Einwanderergemeinschaft, die ihnen Halt gibt.

"Die Ehen, die die Leute in diesem Land führen, Bo, sind sehr seltsam. Es ist nicht wie zu Hause, wo ein Mann macht, wie er denkt, und seine Frau sich danach richtet. Hier ist es andersherum. Die Frauen sagen ihren Männern, wie sie es wollen, und die Männer machen es, weil sie sich sagen, Ehefrau besser glücklich, weil Leben sonst schrecklich. Die Gesellschaft hier ist seltsam."

Doch langsam kippt die Stimmung, Clark Edwards wirkt unruhig, besorgt. Sein ältester Sohn zieht es vor auf einen Selbstfindungstrip nach Indien zu gehen und selbst die Society-Lady Cindy Edwards kann ihre hart erarbeitete perfekte Fassade nicht mehr aufrechterhalten. Durch die Finanzkrise muss die Investmentbank 2008 Insolvenz beantragen. Zum gleichen Zeitpunkt wird der fast schon sichere Asylantrag Jendes abgelehnt. Die drohende Abschiebung und die Angst um seine Anstellung wirken sich auf das Familienleben aus. Durch den Druck, der auf Jende lastet, wandelt er sich vom sympathischen Ehemann zum machohaften Egoisten, der seine Frau bevormundet und sogar misshandelt. Das Leben wird immer mehr zum Kampf gegen sich selbst und die Gesellschaft. Als Jendes Körper den Strapazen nicht mehr gewachsen ist, trifft er eine unerwartete Entscheidung.

Besonders gefallen hat mir der Satz, den Jende Weihnachten zu seinem Sohn sagt, als dieser nicht versteht, warum es bei ihnen keine Geschenke gibt. Denn trotz aller materiellen Dinge, die sie sich erhoffen, ist ihnen die Familie doch am wichtigsten.

"Ob jemand dich wirklich liebt - so Jendes Vortrag jedes Mal -, zeigt sich an dem, was er mit seinen Händen für dich tut, welche Wörter er dir aus seinem Mund schenkt und was sein Herz über dich denkt."

Am Ende hat jeder selbst sein Leben in der Hand und entscheidet über den zukünftigen Weg. Diese bewegende Geschichte hat mich sehr nachdenklich zurückgelassen und ist in Zeiten der Trumpregierung an Aktualität nicht zu schlagen.