Rezension

Jugendclique im Dritten Reich

Bis die Sterne zittern - Johannes Herwig

Bis die Sterne zittern
von Johannes Herwig

Leipzig, 1936: Als der fünfzehnjährige Harro von einer Gruppe Hitlerjungen bedroht wird, bekommt er Hilfe von einer Jugendcllique. Mit kurzen Lederhosen und karierten Hemden fallen sie in der Öffentlichkeit sofort auf. Harro ist fasziniert von diesen unangepassten Jugendlichen und macht begeistert mit. Doch das ist in der Hitlerzeit ausnehmend gefährlich...

Der Autor Johannes Herwig thematisiert oppositionelle Jugend im Dritten Reich: Die "Leipziger Meuten" fielen auf durch provozierende Kleidung, sie gerieten regelmäßig in handfeste Auseinandersetzungen und Prügeleien mit der Hitlerjugend. Wirkliche politische Aktionen gingen von ihnen wohl eher selten aus. Herwig beschreibt eine Gruppe, die durch ihr Äußeres provoziert (wie Punks), der auch Mädchen angehören, die sich teilweise wie Jungen kleiden und gebärden (und damit die Rolle der Frau in Frage stellen), von denen sich manche gern zu Prügeleien herausfordern lassen (wie Hooligans). Auf den heutigen Leser wirken sie in vielen Aspekten ganz normal: Sie möchten sich einfach nur treffen (modern: abhängen), sie machen eine Fahrt mit Lagerfeuerromantik, sie singen und hören moderne Musik. Sie wollen zusammen sein, ihre Freizeit gestalten, sich von Eltern und Erwachsenen abgrenzen, erste Annäherungsversuche machen. Manches davon konnten Jugendliche damals zunächst auch in der HJ finden, und daher waren die Nazi-Jugendgruppen für viele anfangs auch so attraktiv und verführerisch.Hiervon ist bei Herwig nichts zu spüren, und so bleibt ein wichtiger Teil der damaligen Lebenswelt unberücksichtigt. Die Darstellung ist plakativ: Die Nazis sind brutal und skrupellos. Dass es da auch Ausnahmen und sympathische Hitlerjungen geben könnte, wird nur angedeutet.

Auch die Darstellung der Jugendlichen ist für mich eher oberflächlich. Der Ich-Erzähler Harro hat einen großen Freiheitsdrang und lässt sich nicht gern etwas gefallen. Seine Eltern stehen dem Regime kritisch gegenüber, aber sie halten sich zurück. Dennoch setzt sich Harro nicht inhaltlich mit der Nazi-Ideologie auseinander. Er erfährt die Brutalität der Gestapo und begreift dennoch nicht, in welcher Gefahr er und seine Freunde sich befinden. Harro bleibt erstaunlich naiv. Die anderen Gruppenmitglieder bleiben eher vage skizziert; so hätte der Autor z.B. aus Josefine sehr viel mehr Tiefgang herausholen können.

Der Autor formuliert gut und bringt häufig bildhafte Vergleiche. Die Sprache ist angenehm zu lesen. Aber: Sie wird einem fünfzehnjährigen Ich-Erzähler in den Mund gelegt, und das passt nicht. In dieser Rolle ist der Sprachstil nicht überzeugend.

Fazit: Ein Buch, das einen wichtigen Aspekt der deutschen Vergangenheit aufgreift und ganz "normale" Menschen in einer absolut nicht "normalen" Situation beschreibt. Leider bleibt die Darstellung in mehreren Aspekten oberflächlich; man hätte sehr viel mehr daraus machen können.