Rezension

Kann das Versprechen nicht halten, das es mit dem Klappentext gibt

Die Seiten der Welt
von Kai Meyer

Bewertet mit 2 Sternen

★★

Furia Salamandra Faerfax, die ihren Namen genau wie ihr Bruder Pip aus einem Roman hat, ist Schlafleserin. Sie verschlingt Bücher im Schlaf. Da ist es gut, dass sie auf dem Landsitz ihrer Ahnen lebt, der im Keller eine unendliche, unerschöpfliche Bibliothek birgt. Außerdem ist ihr Vater Bibliomant und sie wird auch Bibliomantin werden, wenn ihr Seelenbuch sie nur bald findet, mit dem sie die Magie der Worte entfesseln kann. Furia hilft ihrem Vater, die Entschreibung alle Bücher zu verhindern, indem sie gemeinsam die leeren Bücher einsammeln und vernichten. Dafür nutzen sie Magie: sie können mithilfe zweier identischer Ausgaben eines Buches in ein anderes Land springen. Auf einem dieser Sprünge wird ihr Vater getötet und nun muss die 15jährige Furia die Welt der Bücher retten. Doch nicht nur das, ihre Gegner haben ihren kleinen 10jährigen Bruder entführt. Ihn muss sie unbedingt ebenfalls retten ...

 

Das klingt ja schon mal super! Dachte ich zumindest. Dann habe ich angefangen zu lesen. Das Buch ist in drei Teile aufgeteilt. Der erste las sich noch ganz angenehm. Da war ich noch der Überzeugung, dass dies der Einstieg ist und dann der Hammer schlechthin kommt. Aber leider war das ein Irrtum. Kai Meyer hat sich sehr viele Details aus anderen Büchern geliehen. Das allein ist ja kein Fehler. Aber er hat das Potenzial schlicht nicht genutzt. Weder sein eigenes, noch das des Plots und schon gar nicht das der entliehenen Komponenten. Die Figuren blieben weitesetgehend alle farblos und langweilig, sehr stereotyp und absolut vorhersehbar. Die arme Furia ist quasi auf der Dauerflucht, wodurch sie natürlich Pip nicht helfen kann. Von ihm erfahren die Leser dann auch sehr lange gar nichts mehr.

 

Die anfängliche Freude über kleine Gimmiks, wie die Eintrittskarte nach Libropolis und die Sätze von Ypsilonzett, die mir Hoffnung auf MEHR gemacht hatte, zerplatzte leider wie eine Seifenblase. Schade! Genau diese Kleinigkeiten hätten so viel mehr ausgebaut werden können und dem Buch einen Stellenwert geben können, den es jetzt leider nicht erreicht hat. Der Schimmelrochen, die staubfressenden Origami, die Leselampe und der Lesesessel – herrliche Ideen! Aber leider nur mir Minipart im Buch. Ach, es hätte so schön sein können!

 

Es gibt jede Menge ermordete und dahngemetzelte Figuren, Wandlungen, die man recht früh erahnen kann und immer, wenn man denkt, jetzt geht es gleich los, kommt – nichts. Es ist so schade, so frustrierend, so enttäuschend! Über 450 Seiten und dann die Frage: und was war das jetzt? Nein, das hätte ich niemals von diesem Buch gedacht. Nach dem ersten Teil ging es tatsächlich noch steiler bergab. Die Hoffnung, dass im dritten Teil ein Hammer kommt, der für alles entschädigt, blieb leider aus. Im Gegenteil: plötzlich kommt eine Ladung Weichspüler und die Sonne scheint über das ganze Land ....

 

Der Stil war leider sehr oft sehr einschläfernd. Spannung kam kaum auf und wenn, dann war sie auch bald wieder weg – und das, obwohl ich den Eindruck hatte, dass Furia das komplette Buch über auf der Flucht war.

 

Libropolis wurde mir einfach zu düster und dunkel aufgebaut. So wenig Freude, dabei sollte das doch das Loblied auf Bücher und das Lesen schlechthin sein, eine Liebeserklärung an die Bücher. Für mich war das eher ein Weg, die Leute von Büchern fernzuhalten. Der einzige, winzige Hinweis auf die Liebe zu Büchern ist gleich wieder ein negativer. Zitat von Seite 304: „Niemand konnte all diese Bücher lese. Aber vielen Bibliomanten ging es vor allem darum, Bücher zu besitzen. Ihre fanatische Sammlerleidenschaft war grenzenlos.“ Bücher horten und nie lesen soll also Bücherliebe sein? Nun denn, ich selbst lese sie dann doch lieber und möchte, dass der Autor mich auf eine Reise durch seine Fantasie nimmt. Das hat Kai Meyer leider nicht mal ansatzweise geschafft. Vermutlich war sogar der Lektor irgendwann einfach nur noch müde, denn leider finden sich im Buch überdurchschnittlich viele Fehler. Die konnte ich mühelos finden. Die Magie und den Zauber, die mir auf dem Klappentext versprochen wurden, suche ich noch immer vergeblich.

 

Nein, das war nix. Nix für mich, wenn auch vielleicht für viele andere. Für mich wird das Buch weder den hochlobenden Pressestimmen noch dem Hype um es gerecht. Meine Befürchtung ist jedoch, dass eine Fortsetzung folgen wird. Die dann aber definitiv ohne mich. Ganz erschreckend ist ja noch dazu, dass es ein Jugendbuch ist. Eine Altersempfehlung konnte ich nicht entdecken und selbst fällt mir dazu auch wenig ein. Für 10-14jährige ist mir zu viel Mord und Totschlag und Düsternis im Buch, für 15-17jährige ist es mir zu sehr in Kinderbuchmanier geschrieben. Fantasy im Stil von „Die unendliche Geschichte“ ist es nicht, dafür ist zu viel Gewalt vorhanden und dafür sind die guten Ansätze nicht durchgehend ausgearbeitet worden.

 

Es tut mir sehr leid, aber meine Enttäuschung lässt nichts anderes zu, als nur magere zwei Sterne zu vergeben, auch wenn ich damit gegen den Strom schwimme und mir den Zorn der vielen Fans zuziehen werde. Damit werde ich eben leben – so, wie Furia mit den Folgen ihres Tuns.

★★ (ړײ)¸¸.•´¯`»

Kommentare

fio kommentierte am 07. November 2014 um 14:51

Klasse Rezension! Trifft es absolut auf den Punkt!!!

Leia Walsh kommentierte am 07. November 2014 um 16:25

Ich danke Dir! War aber echt nicht einfach, meine Gefühle und Eindrücke in Worte zu fassen. Sonst geht das echt leichter.

Da die meisten das Buch aber hoch loben, werde ich wohl reichlich Gegenwind bekommen. Meine Rezension zu "Obsidian" ist auf anderen Plattformen "abgewatscht" worden. Ändert aber nix dran, dass ich es bescheiden fand und die Fortsetzungen meide, wie der Teufel das Weihwasser ....!

fio kommentierte am 07. November 2014 um 22:06

Ich finde es gut, dass du eine authentische Rezension geschrieben hast, weil du damit denjenigen, die ähnliche Erwartungen an das Buch haben, eine Enttäuschung ersparst. Das mit dem Gegenwind ist wirklich schade. Auf anderen Plattformen habe ich sowas auch schon ein paar Mal mitbekommen, wenn es um "Hype-Bücher" ging. Deshalb ist es umso toller, dass unsere Leserunde trotz der sehr unterschiedlichen Meinungen friedlich verlaufen ist. Und Galladans Posting ist das schönste Beispiel dafür, dass es auch ohne Gegenwind geht.

Galladan kommentierte am 07. November 2014 um 16:48

Ich empfand das Buch anders, aber ich mag Deine Rezension. Es gibt sicher viele Leute die so wie Du empfinden. und ich gebe Dir absolut recht, dass fuer 10 bis 14 jaehrige zuviel Gewalt durch die Protagonisten erzeugt wird.

Leia Walsh kommentierte am 07. November 2014 um 17:23

Dankeschön! Es ist ja immer normal und gut, dass Bücher von verschiedenen Menschen unterschiedlich gemocht werden. Schade ist nur, wenn es dann "Kleinkrieg" unter den Rezensenten gibt. Geht doch auch anders, wie Du gerade so nett beweist. Dafür ein herzliches Danke!

callunaful kommentierte am 07. November 2014 um 22:07

Ich gehöre auch zu der Fraktion, die dem Buch den Preistitel "Flop des Jahres" verpassen würde. :/

Leia Walsh kommentierte am 07. November 2014 um 22:16

Ich werde ja ganz verlegen - so viele nette Kommentare!

Ja, die Leserunde war toll - auch wenn ich ja dann ewig lang nach Euch ankam, weil ich einfach erst mal was andres lesen musste, um überhaupt noch weiterlesen zu können.

Ich bin ja froh, dass es auch Fans des Buches gibt, denn ich bin immer traurig, wenn ein Buch so wenig Beachtung findet oder komplett nicht gemocht wird. "Die Seiten der Welt" hat wenigstens eine gute Chance, von mir weg in ein anderes Regal zu kommen, bei jemandem, der es liebt.

Die extrem gegensätzliche Einschätzung von ganz toll zu ganz mies ist aber wirklich selten. Meist pendelt es sich ja dann in der Mitte ein. Ich denke, das Buch wird noch länger die Gemüter bewegen.

storycircus kommentierte am 08. November 2014 um 10:09

Ich war echt gespannt auf deine Rezension. Vor allem deswegen, weil ich weiß, dass du kein Blatt vor den Mund nimmst und ich eine Tendenz deiner Meinung ja schon in der Leserunde erahnen konnte.

Ich habe auch versucht eine Rezi zu schreiben, habs dann aber wieder sein lassen, weil ich mir ebenfalls schwer getan habe, meine Gedanken in Worte zu fassen. Ich fand auch, das Buch hatte schöne Ansätze und Ideen, die dann leider nicht verfolgt wurden.

Also Merci für deine Rezi. Ich bin auch gespannt, welche Meinungen weiterhin noch folgen werden, denn nach der Mehrzahl der Rezensionen und Bewertungen hier schneidet das Buch ja sehr gut ab. We'll see...

Leia Walsh kommentierte am 08. November 2014 um 12:42

Ich finde, genau so, wie Du das beschreibst, ist das doch schon der perfekte Ansatz für eine Rezension. Das noch ein wenig an Beispielen beschrieben und das passt. Auch zu schreiben, dass man sich schwertut bei dem Buch, etwas darüber zu sagen, sagt doch schon mal einiges aus. Besonders dann, wenn man ansich recht viel liest.

Ist es nicht seltsam? Ein Buch, das so genial anfing und auf das wir uns alle so gefreut haben, auf das einige sehr positiv und einige total enttäuscht reagieren - das löst eine Leserunde aus, in der alles friedlich besprochen werden kann. Ganz ehrlich, das hätte ich niemals geglaubt, hätte mir das jemand vorhergesagt!

La Calavera Catrina kommentierte am 12. Januar 2015 um 22:42

Danke für die tolle Rezension. Du hast genau die richtigen Worte gefunden. Die Rezi hat mich darin bestätigt, das Buch aufzugeben und mich nicht weiter zu quälen. Ich seh es genauso wie du und bin froh, nicht allein im Gegenstrom zu schwimmen. 

Leia Walsh kommentierte am 12. Januar 2015 um 22:51

Auch ich bin froh, dass es nicht nur mir so geht mit diesem Buch. Und ich hatte mich wirklich so sehr auf eine Reise in eine phantastische Bücherwelt gefreut!