Rezension

Kein Liebesroman - Ein Zickenroman

Kirschroter Sommer - Carina Bartsch

Kirschroter Sommer
von Carina Bartsch

Bewertet mit 2 Sternen

‟Kirschroter Sommer“ von Carina Bartsch – ein deutscher Liebesroman, der es vom selbst verlegten eBook zum erfolgreichen Verlagsroman wurde und einen regelrechten Hype auslöste. Die vielen begeisterten Stimmen haben letztendlich dann auch mich zum Lesen verleitet und, Nein, ich kann die allgemeine Begeisterung nicht nachvollziehen.

Zum Inhalt: Emely ist 23 und Studentin in Berlin. Als ihre beste Freundin Alex ebenfalls zum Studium nach Berlin zieht, ist Emely begeistert. Doch die Sache hat einen Haken, denn Alex zieht mit ihrem älteren Bruder Elyas zusammen, den Emely nur ungern wieder sehen möchte. Denn Elyas war ihre erste große Liebe und auch nach sieben Jahren hasst Emely ihn noch immer. Elyas hingegen zeigt Interesse an Emely, ebenso wie Luca, der ihr anonym Mails schickt. Wer sich wohl dahinter verbirgt?

Und nun zu meiner Meinung zu diesem hochgelobten Roman. Anfangen möchte ich mit den Charakteren, die nach einem ziemlich flachen, aktuell weitverbreiteten Muster aufgebaut sind. Emely, die Ich-Erzählerin, betont in regelmäßigen Abständen, wie durchschnittlich sie aussieht. Natürlich legt sie darauf auch keinen Wert, denn, wie ebenfalls regelmäßig betont wird, ist sie im Gegensatz zu allen anderen kein bisschen oberflächlich. Dass ihre Handlungen dem teilweise entgegengesetzt sind und – natürlich – die bestaussehendsten Männer ihr hinterher laufen, wird ignoriert beziehungsweise ist Bestandteil ihrer fehlerhaften Selbsteinschätzung, die sie allerdings trotzdem während des gesamten Romans vehement und äußerst zickig verteidigt. Denn daraus bestehen die ‟innere Werte“ der tollpatschigen Emely. Sie ist zickig, regelrecht biestig, zwar schlagfertig, aber auch extrem dünnhäutig und eine pessimistische Schwarzmalerin, die sich in der Haut einer 23jährigen verhält wie eine pubertierende 14jährige. Charmant ist definitiv anders und ich konnte leider nicht nachvollziehen, weswegen Elyas so hartnäckig Interesse an dieser unsympathischen Protagonistin zeigte.

Elyas selbst ist allerdings auch kein wirklich ansprechender Charakter. Natürlich sieht der junge Mann mit zimtfarbenden Haaren und türkisgrünen Augen unfassbar gut aus. Ansonsten wirkt er aber sehr aufdringlich und selbstverliebt, seine Annäherungsversuche an Emely sind nicht immer romantisch, sondern oft machohaft schmierig.
Und aus den beiden soll dann eine bezaubernde Liebesgeschichte werden? Jein. Ich habe die Liebesgeschichte 500 Seiten lang gesucht, aber nicht gefunden, was mich letztendlich am meisten enttäuscht hat. Wäre da noch etwas gekommen, würde meine Bewertung wahrscheinlich anders ausfallen. Aber, wenn nach 500 Seiten kaum ein erwähnenswerter Kuss zu Stande kommt, ist das für mich kein Liebesroman. Auch die Hintergründe, die erste große Liebe, die Emely für Elyas empfunden haben will, waren bei ihrer Auflösung mehr als enttäuschend und vorhersehbar.

Stattdessen dreht sich die Handlung im Kreis. Mehrfach werden Situationen aufgefahren (teilweise sehr einschneidende Situationen, die nach ihrer ‟Abarbeitung“ dennoch nie wieder erwähnt werden), in denen sich Elyas als zuvorkommender Traumtyp beweisen und Emely dadurch zum Umdenken bewegen kann. Dieses Umdenken endet aber in der Regel am nächsten Morgen und Emely fällt daraufhin wieder in ihr Elyas-hassendes, Elyas-anzickendes Standardmuster zurück, was trotz aller Schlagfertigkeit und durchaus vorhandenem Witz mit der Zeit langweilt, nervt und das gesamte Buch auf ein sehr niedriges Teenager-Niveau herunterzieht. Die Entwicklung der Charaktere kann ich daher am Ende dieses Romans guten Gewissens mit ‟nicht vorhanden“ bezeichnen und, wer eine Liebesgeschichte erleben will, die diesen Namen auch verdient, wird wohl den zweiten Band, ‟Türkisgrüner Winter“ lesen müssen, denn 500 Seiten haben der Autorin dazu offenbar nicht ausgereicht. Leider wurde dieses Buch für mich dadurch zu einem Paradebeispiel für Wiederholungen und unnötiges In-die-Länge-ziehen.

Die einzige Liebesbeziehung, die man so nennen kann und in der auch eine gewisse Entwicklung steckt, führen daher nicht Emely und Elyas, sondern die sehr überdreht wirkende Freundin und Schwester Alex. Zumindest in der Nebenhandlung hat der Roman also ein wenig greifbare Gefühle zu bieten, die nicht durch ein zickiges Mädchen ruiniert werden.
Der Mail-Schreiber Luca taucht übrigens deutlich sporadischer auf, als ich es erwartet hatte und auch hier entwickelt sich nichts Nennenswertes. Die Identität des ominösen Luca scheint zudem auch recht offensichtlich – aber auch für eine Weiterentwicklung dieses Handlungsstrangs reichen 500 Seiten offenbar nicht aus. Wieder wird man auf den zweiten Band vertröstet.

Nach der Detailansicht der Charaktere, möchte ich jetzt noch das allgemeine Setting des Romans erwähnen. Hier war mir vieles zu schwammig. Ich konnte mich damit anfreunden, dass Emely, Elyas (mit ‟y“) und Luca als Ü-20er in der gegenwärtigen Zeit die Babytrendnamen der letzten Jahre tragen. Womit ich mich nicht mehr anfreunden kann, sind Handlungsort und Handlungszeit. Dem Namen nach spielt dieser Roman in Berlin. Davon merkt man allerdings nicht viel. Kein Ort wird näher charakterisiert, alles bleibt letztendlich unbenannt. So geht Emely zum Beispiel auf ‟eine“ Universität und Elyas auf ‟eine andere“. Berlin war als Handlungsort damit austauschbar und könnte jede andere oder einfach eine fiktive Großstadt sein.
Von der Handlungszeit lässt sich insgesamt schlecht einordnen. Zu Beginn des Buches enden die Semesterferien, nur welche? Ist April oder bereits Oktober? Vergehen Wochen oder Monate? Das ist schwer zu sagen...
Was den gesamten äußeren Aufbau angeht, wirkt der Roman auf mich daher oft oberflächlich und undurchdacht. Wird eine reale Stadt als Handlungsort gewählt, können und sollten auch reale Orte in die Beschreibung einfließen, was der Atmosphäre eines Romans sicher nicht schadet. Diese wurde hier in meinen Augen vernachlässigt, die Umgebung bleibt zu beliebig.

Sprachlich ist ‟Kirschroter Sommer“ solide. Der Stil ist nicht besonders gut, aber auch nicht schlecht. Die Schlagfertigkeit der Ich-Erzählerin verleit dem Buch viel Witz und lässt es ganz spritzig wirken, was mit der Zeit allerdings von Zickereien und Dünnhäutigkeit überlagert wird. Da das Buch ansonsten, abgesehen von Emelys und Elyas' Schlagabtausch, wenig mitbringt, konnte mich der Aufbau insgesamt wenig überzeugen. Die mehr als 500 Seiten sind kaum mehr als eine Einleitung, die inhaltlich dem äußeren Umfang nicht gerecht werden kann.

Fazit: Die Liebesgeschichte ist (noch) keine, obwohl es dazu auf den über 500 Seiten mehr als einmal die Gelegenheit gegeben hätte. Ohne den Folgeband ‟Türkisgrüner Winter“ hat dieser Roman praktisch keine Handlung und das war für mich die größte Enttäuschung. Witzig war es, aber pubertäre Zickereien in der Endlosschleife waren zu viel des Guten. Keine Charakterentwicklung, wenig Romantik, viel Langeweile und das alles zu oft auf Kosten meiner Nerven. Wäre es am Ende einem Liebesroman auch nur nahe gekommen, würde ich für den spritzigen Witz noch 3 Sterne vergeben, so bleibt es bei guten, aber dennoch eher unterdurchschnittlichen 2 Sternen.