Rezension

Kein Thriller und anders als erwartet

Einzig - Kathryn Evans

Einzig
von Kathryn Evans

Bewertet mit 2.5 Sternen

Die Idee ist cool: Ein Mädchen, Teva, altert nicht wie normale Kinder und Jugendliche. Nach jeweils einem Jahr löst sich ein neues Ich aus ihr heraus. Die neue Teva übernimmt dann das Leben der alten Teva, geht an deren Stelle in die Schule, trifft sich mit deren Freunden, lebt deren Ziele und Träume. All die anderen Tevas bleiben für immer so alt, wie sie zum Zeitpunkt der Teilung waren. Aus Angst, jemand könnte von dieser unglaublichen Besonderheit erfahren, darf keine der jüngeren Tevas das Haus verlassen, in dem die ganze Familie zurückgezogen mit der Mutter lebt. Auch jetzt ist es bald wieder soweit. Teva ist inzwischen 16 Jahre alt und spürt unter ihrer Haut eine andere, ältere Teva heranwachsen. Und wie schon ihre jüngeren Ichs hat sie vor dem Moment Angst, in dem sie ihr Leben an eine neue Version von sich selbst weitergeben muss.

Ich kann es nicht oft genug sagen. Der Ansatz von Kathryn Evans' "Einzig" ist absolut ungewöhnlich. Und ich war unglaublich neugierig, was sich dahinter verbirgt. Leider habe ich mit der Umsetzung schnell gehadert. Warum? Nun ja. Zum einen steht auf dem Buch recht deutlich „Thriller“. Ein Thriller ist es aber meiner Meinung nach nur bedingt. Dafür gab es zuwenig Thrill, zuwenig Spannung. Jedenfalls habe ich die nicht wahrgenommen. Die Fragen, die einen zum Lesen antreiben, sind ja: Was ist da los mit Teva? Warum kommt es zu diesen seltsamen Abspaltungen ihres Körpers? Und wie kann die jetzige Teva diesen Prozess aufhalten? Darauf hat die Hauptfigur keine Antworten und alle Ideen, die ihr im Laufe der Handlung kommen, um Klarheit zu erhalten, wirkten sehr unentschlossen auf mich. Konkret geht es um eine Videobotschaft und einen Blog, der nicht so viel bringt, wie Teva es sich erhofft und als Spannungselement wenig zu bieten hat. Tatsächlich tut sich bis kurz vor Schluss quasi nichts in Sachen Auflösung. Und am Ende hatte ich das "unbestimmte" Gefühl, Tevas Fragen hätten sich gleich anfangs mit einem guten Gespräch klären lassen.

Die Geschichte hätte trotzdem gut funktionieren können, indem man nämlich die psychologischen Aspekte stattdessen gut herausgearbeitet hätte. Also Tevas Auseinandersetzungen mit ihren früheren Ichs und mit sich selbst. Aber auch da wurde ich enttäuscht. Schwer zu beschreiben, woran es lag. Ich empfand den Plot als etwas unfokussiert. Der Haupthandlungsstrang rutschte immer wieder in den Hintergrund. Viele, viele Seiten sind angefüllt mit Schulalltag und Romantik. Neben Plänen zu einer Modenschau innerhalb eines Schulprojektes, gibt es da eine Flirterei mit Schulfreund Tommo und außerdem geht es viel um Tevas widerstreitende Liebesgefühle für Ollie, der eigentlich der Freund von Tevas vormaligem Ich Fünfzehn ist und von Teva „übernommen“ wurde. Die Beschreibungen fallen aber so oberflächlich aus, dass sich bei mir kein Mitfiebern einstellen wollte, kein Verschmelzen mit Tevas Gedankenwelt, nichts. Sehr sehr schade, da Tevas Konflikt - einerseits in den Erfahrungen ihrer anderen Ichs gefangen und auf der anderen Seite von eigenen Wünschen erfüllt zu sein - soviel mehr hergegeben hätte.

Regelrecht undurchsichtig fand ich die Beschreibung von Tevas Zuhause. Die übrigen Ichs kommen bis auf Fünfzehn nur am Rande vor. Die erste Version von Teva ist Eva, ein dreijähriges Mädchen. Vier und Fünf gibt es nicht. Zusammen sind sie zwölf Personen plus Mutter, aber abgesehen von einer kurzen Passage am Anfang geht es im Haus von Tevas Familie äußerst ruhig zu, was mir seltsam vorkam. Müsste da nicht enorm viel Trubel sein? Lautstärke? Leben? Ständige Konflikte? Immer mehr Fragen kamen mir in den Sinn: Warum haben die meisten Mädchen keine eigenen Namen, sondern nur Nummern (wie unmenschlich ist das denn bitte)? Warum erdulden sie diese fast schon gefängnisartige Zurückgezogenheit bis auf Fünfzehn so widerspruchslos? Kümmert sich die Mutter tatsächlich so wenig um ihre Kinder, wie es scheint? Und die größte Frage: Warum kommunizieren die Mädchen nicht viel mehr miteinander? Selbst Teva, die älteste, trägt lange Zeit alle Probleme mit sich allein herum, wirkt dadurch enorm unzugänglich und machte mir einen Bezug zu ihr als Erzählerin sehr schwer.

Irgendwann kommt der Moment, da glaubt man, alles könnte eine Art Halluzination sein, also gar nicht wirklich echt, sondern ein psychisches Problem von Teva. Das war für mich eigentlich die spannendste Frage. Gibt es diese Teilungen wirklich? Oder ist alles nur eingebildet? Und warum gibt es die Mädchen Nummer vier und fünf nicht? Diese Fragen haben mich angespornt, bis zum Ende durchzuhalten. Und siehe da: Kurz vor Schluss wurde es doch noch einmal spannend, was vor allem daran lag, dass Teva plötzlich viel reflektierter handelte und mit Nachdruck agierte. Zum ersten Mal konnte ich sie wirklich verstehen und es wäre toll gewesen, wenn dieses Umdenken früher eingesetzt hätte. Leider endet die Geschichte kurze Zeit später. Und eine Figur, die noch auf den letzten Seiten mit viel Dramatik eingeführt wird, ließ das Finale dann wieder seltsam unstimmig auf mich wirken. Ein wenig schockiert war ich ehrlich gesagt auch, denn der Ausklang ist überraschend bewegend.

Fazit: Insgesamt hatte ich wohl etwas anderes erwartet und wäre entweder mit mehr Thriller oder aber mehr (früher einsetzender) Tiefgründigkeit deutlich glücklicher gewesen. Aufgrund der originellen Idee wollte ich "Einzig" wirklich gerne mögen, aber es gelang mir erst ganz spät, mich für das Buch ein wenig zu erwärmen und Ich-Erzählerin Teva nahe zu kommen. Charaktere und Handlung empfand ich als zu unentschlossen und oberflächlich dargestellt, wodurch sich bei mir lange kein Mitfiebern einstellen wollte. Flott lesen lässt sich die Geschichte jedoch und einige Gedankenspiele haben durchaus ihren Reiz. Wer auf der Suche nach einer kurzweiligen, ausgefallenen Lektüre ist, sollte sich von meiner Kritik also nicht abschrecken lassen und einfach mal einen Blick ins Buch werfen. Mit dem Ende wird sicherlich nicht jeder glücklich sein. Ich fühlte mich von der Dramatik überfahren und blieb etwas ratlos mit vielen nachwirkenden Emotionen und Fragen zurück.
2,5 Punkte für die kreative Idee, aber eine meiner Ansicht nach unausgewogene Umsetzung.