Rezension

Keine Klageweiber. Keine Beerdigungen.

Das Lied der Krähen - Leigh Bardugo

Das Lied der Krähen
von Leigh Bardugo

Bewertet mit 5 Sternen

Ketterdam ist eine pulsierende Hafenstadt, die fest in der Hand diverser Banden liegt. Kaz Brekker ist die Nummer 2 einer dieser Banden, sie nennen ihn Dirtyhands und sein Ruf ist tadellos - als einer, der jeden dreckigen Job übernimmt und lebendig herauskommt. Doch der neueste Auftrag könnte selbst ihn überfordern: Sie sollen einen Wissenschaftler aus dem best gesicherten Ort der Welt herausholen - und SIE sind lediglich eine Bande Jugendlicher, keiner älter als 18: Kaz, der Dieb, der Stratege, der Einbrecher, der Chef. Inej, das Phantom, die Spionin, die Kletterin. Matthias, der Ex-Grischa-Jäger, Jesper, der Scharfschütze, Wylan, der abtrünnige Sohn eines reichen Krämers. Nina, die Grischa. Unter ihnen gibt es feindselige Strömungen, Misstrauen und sogar Hass und doch schmiedet sie etwas zusammen: dass jedem von ihnen etwas angetan worden ist, das sie rächen wollen. Kann es schlechtere Voraussetzungen geben? Jedenfalls keine besseren.

Ich war skeptisch und die ersten Seiten bestätigten diese Skepsis, denn von der Grischa-Trilogie hatte ich bis jetzt bestenfalls am Rande gehört. Von daher musste ich mich erst einmal in die Begriffe und deren im Fließtext erkennbaren Erläuterungen einfinden, aber wenn man in der Lage ist, seine Konzentration mal zehn Minuten lang aufrecht zu erhalten, ist es kein Problem. Ab dann ist es wie ein Sog, denn Bardugo schafft es auf ungewöhnliche Weise, originelle Protagonisten zu entwerfen, die einen so mitnehmen auf ihre Reise, dass das relativ dicke Buch in einem Rutsch durchgelesen wird. Die Dynamik zwischen diesen verschiedenen Typen ist mega gut gestaltet, die immer wieder um drei, vier, fünf Schachzüge vorausdenkene Person des Kaz so brillant wie teilweise abstoßend. Trotz aller Querelen und schlechten Eigenschaften lassen sich bei jedem der sechs (ok, außer Matthias, der ist einfach ein Arsch) etwas Sympathisches finden. Natürlich hätte ich normalerweise die Kritik angebracht, dass es äußerst unwahrscheinlich ist, dass Jugendliche in dem Alter so abgebrüht sind, aber dieses Buch ist eines der wenigen Fälle, wo mein innerer Kritiker sich grinsend zurücklehnte und dachte: Sch... drauf. Ist cool. Macht Spaß. Recht hat er.